Pierwoß platzt der Kragen

■ Der Intendant des Bremer Theaters erwägt Klage gegen den Beschluss der Kulturdeputation, 300.000 Mark beim Theater zu sparen

Am Wochenende feierte die Kulturdeputation ihren freitäglichen Beschluss noch als einvernehmliche Lösung, mit dem das drohende Defizit im Kulturbereich im letzten Moment abgewendet werden konnte. Nur wenige Tage später zeichnet sich ab, dass von Einvernehmlichkeit keine Rede sein kann. Denn Theaterintendant Klaus Pierwoß erwägt, gegen die sein Haus betreffenden Sparbeschlüsse der Deputation in Höhe von 300.000 Mark vor Gericht zu ziehen.

Wie berichtet, erhalten laut Deputationsbeschluss die Deutsche Kammerphilharmonie und die Shakespeare Company nun doch die ihnen in Aussicht gestellten Zuschüsse von insgesamt 700.000 Mark. Und auch das Bremer Theater muss nicht auf die vertraglich bereits im Januar von Kultursenator Bernt Schulte (CDU) zugesicherte Übernahme der jährlichen Tarifsteigerungen bis 2001 verzichten. Doch um all diese Versprechungen einzuhalten, hatte die Deputation zwecks Gegenfinanzierung beschlossen, durch Stellenabbau in der Kulturbehörde bis zum Ende des Jahres knapp 610.000 Mark einzusparen. Zudem soll Pierwoß nach Angaben von Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) angesichts des angespannten Kulturhaushaltes als Intendant des größten Zuschussempfängers zu einem „Solidaritätsbeitrag für die anderen Kultureinrichtungen“ bewegt werden. 300.000 Mark, die Pierwoß aus seinem laufenden Etat für 2000 zu streichen hat, soll ihn diese solidarische Geste kosten. Doch Pierwoß denkt nicht daran, diesem Ansinnen nachzukommen.

„Der Deputationsbeschluss stellt einen eklatanten Verstoß gegen meinen Vertrag dar“, erklärte Pierwoß nun gegenüber der taz. Die Deputation maße sich an, nachträglich in einen gültigen Vertrag zwischen ihm und dem Senator Schulte einzugreifen. „Das ist ein ungeheuer starkes Stück, das werde ich mir nicht bieten lassen“. Notfalls werde er vor Gericht auf Einhaltung des Vertrages klagen. „Es stellt sich doch die Frage, ob in Bremen Verträge den Stellenwert von Klopapier haben oder doch das wert sind, was in ihnen verbindlich festgelegt wurde“, erregt sich Pierwoß. Schließlich fehle in seinem Vertrag die Klausel, dass die Inhalte unter Haushaltsvorbehalt stünden. Insofern könne die Deputation nicht beschließen, ihm wegen der angespannten Haushaltslage zugesagtes Geld vorzuenthalten.

Deputationssprecherin Carmen Emigholz (SPD) bestätigte, dass Pierwoß' Vertrag tatsächlich keinen Haushaltsvorbehalt enthalte. Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, soll Schulte Ende Januar schlicht vergessen haben, diesen Passus in den Vertrag aufzunehmen. Allerdings, so Emigholz, habe der Senator in einem nach Vertragsabschluss verfassten Brief an Pierwoß sowohl die Übernahme der Tarifsteigerungen bis 2001 zugesichert als auch den Haushaltsvorbehalt nachträglich angemahnt. „Wenn Herr Pierwoß die Tarifsteigerungen für sich reklamiert, dann muss er auch die anderen Bestandsteile des Briefes akzeptieren. Dazu zählt eben auch die Klausel des Haushaltsvorbehalts“. Auch Staatsrätin Elisabeth Motschmann bestätigt Emigholz' Version. „Herr Pierwoß muss jetzt aufpassen, dass er sich mit seinem trotzigen Verhalten nicht in die Sackgasse manövriert und sich innerhalb der Kulturszene isoliert“.

Pierwoß hingegen bestreitet, dass der Senatorenbrief einen Haushaltsvorbehalt enthalte. Überhaupt sei er es leid, als Nörgler abqualifiziert zu werden, nur weil er auf die Einhaltung von Verträgen poche. „Wenn Senatoren Schwierigkeiten haben, ihr Wort zu halten, ist das kein Problem, was ich lösen muss“, erklärte Pierwoß. In seinem chronisch unterfinanzierten Theater jedenfalls sei definitiv kein Geld mehr zu holen.

Ob, wie die Kulturdeputation hofft, bis zum Ende des Jahres 610.000 Mark in der Kulturverwaltung zu holen sind, ist ebenfalls noch unsicher. Laut Motschmann soll die Verwaltung durch Teilzeit-, Vorruhestandsregelungen und Umverteilung von Personal in andere Verwaltungsbereiche in diesem Jahr um mindestens acht Stellen auf dann 24 reduziert werden. Noch sei nicht absehbar, ob dieser Prozess bis zum Jahresende abgeschlossen und so die Einsparsumme vollständig erreicht werden kann. Doch das politische Signal sei unmissverständlich: Die Kulturverwaltung muss in erheblichem Umfang abgespeckt werden. Zumal Schulte schon jetzt weiß, dass ihm im nächsten Jahr trotz der kürzlich gebilligten Sondermittel von 9,5 Millionen Mark bereits wieder 2,7 Millionen Mark fehlen. Welche Einrichtungen dieser Millionenkrater verschlingen wird, will das Kulturressort spätestens im September bekannt geben. Dann sollen die Kulturentwicklungsgespräche abgeschlossen sein, die im Dialog mit den jeweiligen Einrichtungen spartenbezogen ermitteln sollen, wo Einsparpotentiale liegen könnten. zott