Österreich-Boykott am Ende

Aus Angst vor Anti-EU-Ressentiments in den eigenen Ländern drängen die nordischen Staaten, vor allem Dänemark und Finnland, auf ein Ende der Österreich-Sanktionen

STOCKHOLM taz ■ Die Sanktionen der EU-Länder gegen Österreich bröckeln. „Gewisse Länder möchten eine Öffnung erreichen“, erklärte Finnlands Ministerpräsident Paavo Lipponen am Wochenende gegenüber der Presse. Und machte kein Hehl daraus, dass er Portugals Premierminister Antonio Guterres in dessen Funktion als EU-Ratsvorsitzenden deutlich mitgeteilt habe, dass Finnland eines dieser Länder ist.

Nachdem die AußenministerInnen der drei nordischen EU-Länder auf ihrem Ministertreffen Anfang Mai auf den Azoren schon einmal mit deutlicher Kritik am Boykottbeschluss vorgeprescht waren, ziehen die skandinavischen Regierungschefs nunmehr nach. Dänemarks Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen hatte den Anfang gemacht und in der vorletzten Woche für ein „Aufweichen“ der Sanktionen plädiert. Das hat seine Gründe: Am 28. September sollen die EU-skeptischen DänInnen in einer Volksabstimmung über den EWU-Anschluss des Landes entscheiden. Der Österreich-Boykott gilt hier inhaltlich als besonders abschreckendes Beispiel für die Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten eines kleinen Mitgliedslands und für Große-Bruder-Anmaßungen der Union.

Die Waage der Euro-Ja- und -Nein-SagerInnen in Dänemark befindet sich mittlerweile wegen einer Verschiebung zur Nein-Seite hin mit jeweils 38 Prozent genau im Gleichgewicht. Hält die Tendenz an – und Joschka Fischers Europavisionen schoben neue Gewichte auf die GegnerInnen-Schale –, droht der dänische Anschluss mit einem donnernden Nein zu scheitern. Kein Wunder, wenn Poul Nyrup Rasmussen die Einleitung des Boykott-Rückzugs für geboten hält. Dieser müsse allerdings, so der Regierungschef letzte Woche vor dem außenpolitischen Parlamentsausschuss, „gemeinsam“ mit den übrigen EU-Ländern erfolgen und „etwas anderes“ müsse ihn ersetzen, solange die Haider-Partei in der Regierung sitze.

Schweden, das gespannt den Ausgang der Euro-Volksabstimmung im Nachbarland verfolgt, da man es selbst bald den DänInnen nachmachen möchte, tut sich noch etwas schwer, so konkret zu werden. Ministerpräsident Göran Persson war eine der treibenden Kräfte, als im Umfeld der Holocaust-Konferenz in Stockholm im Januar die EU-Regierungschef sich informell auf einen Österreich-Boykott verständigten. Man werde sich einem Rückzug der anderen EU-Länder anschließen, ließ er deshalb auch durch seine Außenministerin Anna Lindh erklären, aber nicht selbst die Initiative ergreifen. Doch machte Lindh gleichzeitig klar, dass man mit dem Boykott am Ende der Fahnenstange angekommen sei. Auch wenn er die FPÖ-Regierungsbeteiligung nicht verhindert habe, so habe er zumindest einen Teil seines Zieles erreicht: eine Markierung zu setzen und eine Debatte in Österreich und den anderen EU-Staaten und Kandidatenländern einzuleiten.

Die Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter will auch schon die zentralen Teile der „Landebahn“ (Dänemarks Außenminister Helveg Petersen) kennen, mit der neben den nordischen Ländern vor allem Irland, Griechenland und Italien sowie vermutlich auch Spanien und Portugal den EU-Boykott-Höhenflug auf den Boden der Realpolitik herunterholen wollen: Ein wachsames Auge in Form eines „EU-Überwachungsgremiums“, das die Einhaltung der demokratischen Prinzipien und Menschenrechte in Österreich kontrollieren will. Wien soll diesen Notausgang angeblich bereits akzeptiert haben. Jedenfalls dann, wenn diese Observationsgruppe keine Ausnahme für Österreich bleibt, sondern so etwas wie eine feste Einrichtung der EU für vergleichbare Nachfolgefälle würde. REINHARD WOLFF