Ganz kühl gestrafft

Andrea Fischer will Gentechnikgesetz verschärfen. Industrie hatte Lockerung erwartet

von WOLFGANG LÖHR

Im Kabinett wird morgen gestritten. Der Ministerrunde liegt ein Entwurf für ein neues Gentechnikgesetz aus dem grün geführten Gesundheitsministerium vor. Während die SPD-besetzten Bundesministerien zunehmend auf die „Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts“, die Gentechnologie, setzen, sieht der Entwurf aus dem Hause von Andrea Fischer vor, die Sicherheitsanforderungen für Arbeiten im Gentech-Labor und in Produktionsanlagen zu verschärfen.

Mit der Gesetzesänderung will das Fischer-Ministerium eine EU-Richtlinie von 1998 umsetzen, die Vorschriften enthält für das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen in „geschlossenen Anlagen“. Darunter fallen sowohl Experimente in Gentech-Laboren als auch die Produktion gentechnisch hergestellter Waren in den großen, industriell genutzten Bio-Reaktoren; zum Beispiel Medikamente wie das Insulin bei Aventis in Frankfurt oder Enzyme für die Waschmittelindustrie.

Nach Fischers Gesetzesnovelle muss in Zukunft für das Arbeiten mit besonders gefährlichen genmanipulierten Organismen in jedem Einzelfall eine Erlaubnis der zuständigen Landesbehörden vorliegen. Bisher reichte eine einmalige Genehmigung für die jeweilige Risikogruppe aus. Wurden die Experimente auf neue Organismenarten ausgedehnt, musste nicht in jedem Fall eine neue Genehmigung beantragt werden.

Neu eingeführt werden soll auch, dass künftig für alle Arbeiten mit gentechnischen Organismen Pläne zur Abfallentsorgung vorgelegt werden müssen. Bisher galt diese Regelung nur für Arbeiten in den höheren Sicherheitsstufen 2 (geringes Risiko), 3 (mäßiges Risiko) und 4 (hohes Risiko). Die Sicherheitsstufe 1, in der nach dem Gesetz „nicht von einem Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt auszugehen ist“ (Paragraf 26 Absatz 1) unterliegt bisher keinen Abfallregelungen.

Mit der EU-Richtlinie von 1998 sollten eigentlich die nach Ansicht der Life-Science-Industrie zu scharfen europäischen Vorschriften „entrümpelt“ werden. Die sicherlich wichtigste Neuerung in der EU-Richtlinie ist, dass künftig die Möglichkeit besteht, einzelne als sicher eingeschätzte Gentech-Organismen gänzlich aus den Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes herauszunehmen. Diese Organismen sollten dann behandelt werden dürfen wie herkömmliche auch. „Fünfzig Prozent der gentechnischen Arbeiten“, schätzt Ulrike Riedel, Referatsleiterin beim Gesundheitsministerium, „würden dann nicht mehr unter das Gentechnikgesetz fallen.“ Das heißt, die Arbeiten müssten nicht mehr in einer angemeldeten und überwachten Gentech-Einrichtung durchgeführt werden. Genehmigungen würden gänzlich wegfallen, die Überwachungsbehörden müssten noch nicht einmal informiert werden. Praktisch jeder dürfte sich Organismen besorgen und in seinem Stübchen experimentieren.

Und hier sträubt sich das Bundesgesundheitsministerium. Die Ausnahmeregelung ist in seinem Gesetzentwurf nicht enthalten, eine Möglichkeit, die das EU-Recht vorsieht. Denn anders als die so genannte Freisetzungsrichtline, die für alle Mitgliedsstaaten verpflichtend ist, werden mit dem Regelwerk zum Arbeiten im geschlossenen System nur Mindestanforderungen festgelegt. Um Sicherheit von Mensch und Umwelt zu gewährleisten, darf jedes Land weitergehende Maßnahmen vorschreiben.

Lob bekommt die Ministerin von den Umweltverbänden. „Mit diesem Gesetzentwurf“, so Dan Leskien vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, „der im Wesentliche nur jene EU-Vorhaben umsetzt, die zu einer Verbesserung der Sicherheit bei der Gentechnik führen, leistet die Bundesregierung Vorbildliches.“ Ob das stimmt, muss sich noch zeigen. Vor wenigen Tagen erst haben Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und auch Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke ein klares Bekenntnis zur Gentechnik abgegelegt. Die Gentech-Branche jedenfalls geht davon aus, dass Fischers Gesetzesvorlage so nicht umgesetzt wird.