Festivallaune im Verzehrkino

■ Das heute beginnende Emder Filmfest hat ein besonderes Profil: Es zeigt niederländisches und englisches Kino zuerst

Auf den Landkarten von niederländischen und britischen FilmemacherInnen ist Emden ein fast so bedeutender Ort wie Berlin, Cannes und Venedig. Denn hier konzentrieren sich die OrganisatorInnen des Filmfests aus nahe liegenden Gründen ganz besonders auf die Filme aus diesen beiden Nachbarländern. Man gibt sich hier jedes Jahr wieder große Mühe, ein Programm mit eigenem Profil zusammenzustellen.

Auch beim diesjährigen Emder Filmfest stehen ab heute nicht nur sechs britische und ein niederländischer Film im Wettbewerb. Gezeigt werden auch vier weitere niederländische Filme, eine Programmschiene „The British are coming“ mit sechs neuen unabhängigen Filmen aus Großbritannien sowie eine Werkschau mit fünf Filmen vom jungen, radikalen und arbeitswütigen Faßbinder Englands, Michael Winterbottom. Wer außer ihm hat zwei Filme in einem Jahr fertig gestellt („With or Without You“, „Wonderland“, beide 1999)? Wer arbeitet noch so gnadenlos mit der Kamera und kann Verzweiflung filmisch so überzeugend darstellen? Besonders „Butterfly Kiss“ ist es wert, (wieder) gesehen zu werden.

Prägend für das Filmfest Emden war von Beginn an auch der Filmemacher und Schauspieler Bernhard Wicki. Jedes Jahr wurde er wieder als Ehrengast eingeladen, irgendeiner von seinen Filmen wurde dazu wiederentdeckt, und er wandelte wie ein Monarch durch die Straßen von Emden. Im letzten Jahr war er dafür leider schon zu krank, jetzt ist er gestorben. Ihm zum Andenken zeigt das Filmfest eine Hommage mit vier von seinen selten gespielten Filmen („Carlos“, „Die Eroberung der Zitadelle“, „Madeleine und der Legionär“, „Unruhige Nacht“). Außerdem ist jetzt der vom Publikum gewählte Wettbewerbspreis nach ihm benannt.

Eine neuere Eigenart des Emder Filmfests besteht darin, dass es Ableger hochzieht. Einige Filme werden im Auricher Carolinenhof nachgespielt, und die Gäste in Norderney können die Highlights im feudalsten Kino Norddeutschlands genießen. Denn im letzten Jahrhundert ließ ein wohlbetuchter Kurgast hier ein prachtvolles Residenztheater nachbauen. Die Norderneyer waren zwar in den 80er Jahren so barbarisch, dass sie dieses architektonische Juwel in den Beton ihrer potthässlichen Kurverwaltung eingießen ließen. Aber der Saal ist atemberaubend schön.

In Emden selbst sind die Räumlichkeiten dagegen immer noch eher frugal: Die Filme werden in einer Mehrzweckhalle, in einem Saal der Volkshochschule oder im furchtbaren „Verzehrkino“ Apollo gezeigt. Dort gehen die Laternen neben den Kinositzen nie ganz aus, die Lüftung ist so laut, dass einem auch die schönste Festivallaune vergehen kann. Auch hierbei hat das Filmfest Emden ein ganz eigenes Flair. Wilfried Hippen

Filmfest Emden vom 31.5. bis 7.6. Das Programm steht im Internet unter www.filmfest-emden.de