Peanuts von der Industrie

Der kreative Weg gegen den NC: Die FU Berlin will den Numerus Clausus abwenden, indem sie die Industrie zum Sponsoring ermuntert. Aber die Wirtschaft knausert

BERLIN taz ■ Ihren fünfzigsten Geburtstag wird Elfriede Fehr heute im Institut verbringen. Mit Lesen. Die Dekanin des Fachbereichs Informatik der Freien Universität Berlin liest hundert Namen vor. Namen von Spendern, die mit ihrem Geld einen Numerus Clausus im Informatik-Studiengang verhindern wollen. Firmen, Kollegen und Freunde, alle also, die ein Geldpräsent für die engagierte Informatikprofessorin haben, sollen es unter dem Kennwort „Kein NC“ an die Hauptkasse der Universität überweisen.

Die witzige Aktion von Frau Fehr hat auch etwas von Verzweiflung. Wenn nichts passiert, wird auch an der FU der Zugang für viele Informatik-Studienbewerber verriegelt. Technische und Humboldt-Universität haben die Notbremse schon gezogen. Und auch Dekanin Fehr fällt aus ihrem sanftem Tonfall, wenn sie die Situtaion in ihrer Studiendisziplin beschreibt: „Die Lage ist einfach himmelschreiend.“

Im letzten Wintersemester, berichtet Fehr, drängten sich so viele Erstsemester in die Pflichtvorlesung „Rechnerstrukturen“, dass einige Studenten Platzangst bekamen. Sie zogen es vor, die begehrte Vorlesung durch die Fenster wieder zu verlassen – mit einem Sprung auf die Wiese. Dreimal mehr Studenten als vorgesehen sind an Fehrs Fachbereich eingeschrieben. Dass sie gern alle aufnehmen würde, glaubt man ihr. Dass es nicht geht, glaubt man ihr auch. „Wir hätten den NC schon vor zwei Jahren einführen können, aber damals haben wir die steigende Last noch akzeptiert“, sagt sie.

Die Beschränkung der Studentenzahl über einen NC, das weiß auch das Geburtstagskind, lässt sich nicht aufhalten. „Da müsste noch ein großes Wunder geschehen“. Das Problem: Nachdem die anderen beiden Unis die Tore verschlossen haben, werden die Informatik-Bewerber verstärkt in die FU drängen.

So sehr die Dekanin mit ihrer Geburtstags-Spendenaktion neue Geldquellen für die FU-Informatik auftun wollte, mehr als Symbolik ist es wohl nicht. „Über Spenden und Sponsoring“ sei eine dauerhafte Finanzierung nicht denkbar. Privatwirtschaftliche Ergänzungen sind zwar möglich – gerade sucht Fehr einen Sponsor für die Professur „Multimediale Systeme“. Doch am Informatik-Institut gibt es zurzeit kein einziges Seminar, keine einzige Dozentur, kurz: nichts, was über Gelder aus der Wirtschaft finanziert wird.

Privates Sponsoring mag eine gute Werbung für den Geber sein, die Lösung für eine flächendeckende, anspruchsvolle Informatik-Ausbildung ist es nicht. Den NC abzuwenden oder zumindest mehr Studienplätze zu finanzieren, sei Aufgabe der Berliner Landespolitik,davon ist Fehr überzeugt.

Die Professorin, die an ihrem Geburtstag wie ein Teenie Geld einsammeln muss, hat ganz eigene Erfahrungen gemacht. Der spendabelste Gratulant zu ihrem Ehrentag wird der Weltkonzern Siemens sein. Der zigmilliardenschwere global player hat fünftausend Mark für die FU-Informatik übrig. Alles in allem wird Fehr heute etwas mehr als zehntausend Mark bekommen. Das reicht, um zwei oder drei neue Computer anzuschaffen. Aber nicht, um den NC zu verhindern.

CHRISTIAN DOMNITZ