Mehr Geld für Assistenten

Der traditionelle Weg gegen den NC: Die TU Berlin will den Numerus clausus abwenden, indem sie vom Staat mehr Mittel für Mitarbeiter fordert. Aber die Wirtschaft lockt

BERLIN taz ■ Der Informatik in Berlin fehlt es an Geld, mindestens 15 Millionen Mark jedes Jahr. Anders kann die Zulassungsbeschränkung für Bewerber auf einen Studienplatz in diesem Fach nicht aufgehoben werden. Diese Botschaft spricht Klaus Obermayer, Dekan am Fachbereich Informatik der Technischen Universität (TU) Berlin, dieser Tage in jedes Mikro, das ihm unter die Nase gehalten wird. Und der Medienandrang ist groß, seit bekannt wurde, dass der größte Berliner Ausbilder für Informatik die Pforten schließen will.

Die Lage der Berliner Informatik ist ohnehin schlecht. Die Universitäten wurden hier in den letzten Jahren einem rigorosen Sparkurs unterworfen. Nun deckt der Ansturm von Studienbewerbern die Mängelwirtschaft auf. Im vergangenen Wintersemester 1998/99 drängelten sich an der TU 534 neue Studenten – auf 200 Plätze. Zuerst hat es der Dekan mit Appellen versucht. Mit Briefen, düsteren Zahlenspielen und negativen Prognosen. Immer wieder und immer wieder umsonst.

Jetzt hat die TU die Notbremse gezogen: Numerus clausus. Mindestens 6,5 Millionen Mark jedes Jahr zusätzlich nur für seinen Fachbereich fordert Dekan Obermayer vom Senat, um die Zulassungsbeschränkung wieder aussetzen zu können. 5,5 Millionen würde er für Assistenstellen ausgeben. Eine Million will er in die dafür nötige Ausstattung mit Rechnern, Arbeitsplätzen, Infrastruktur stecken.

Die TU-Informatik könnte so fünfzig neue Assistenten einstellen – und so 150 neue Studienplätze schaffen. 100 in der Informatik und 50 im Fach Technische Informatik. Assistenten, das ist der Vorteil, sind billiger als Professorenstellen. Und nach fünf Jahren kündbar. Falls die rasante Nachfrage für Informatikabsolventen wieder abgeflaut sein sollte, dann, so das Kalkül des Dekans, könnte das Lehrangebot leicht abgebaut werden.

Die Assistenten des wissenschaftlichen Mittelbaus sind diejenigen, die die Überlast an Studentenzahlen am stärksten zu spüren bekommen. Wenn sich die Zahl der Teilnehmer in einem Tutorium von fünfzehn auf dreißig verdoppelt, ist an gründliche Ausbildung nicht mehr zu denken. Das Tutorium, von den Assistenten betreut, ist das Herzstück der Lehre: Hier lernen die Studenten, in Diskussionen gemeinsam die besten Lösungen zu finden. Hier rechnen sie selbst, anstatt nur zuzuhören.

Doch die Sache mit den Informatik-Assisstenten hat ihren Pferdefuß: Sie sind in der IT-Branche begehrt. In der Uni häufen die rund 70 wissenschaftlichen Mitarbeiter Überstunden an, vor allem in der Lehre. An ihren Forschungsprojekten, an den Dissertationen arbeiten sie kaum. Für die jungen Wissenschaftler ist das doppelt bitter: „Das Einzige, was mich hier noch hält, ist der verrückte Traum, eines Tages vielleicht doch mal Professor zu werden“, sagt etwa Assistent Gunnar Schröter. In der Wirtschaft würden sie bei ihren Qualifikationen locker das Doppelte verdienen. Die Unternehmen reißen den Universitäten bereits ihre begabtesten Absolventen aus der Hand. Geeignete Assistenten zu finden wird also zunehmend schwieriger – selbst wenn man Stellen für sie hat. DIETMAR KAMMERER