Eine rüstige Legende

In seinen letzten Filmen hat Clint Eastwood auch das Altern thematisiert. Jetzt wird er tatsächlich 70 Jahre alt, aber sein Mythos ist unzerstörbar

von KATJA NICODEMUS

Ein wirklich seltsamer Moment war das, als er 1993 gleich zwei Oscars für „Erbarmungslos“ bekam und für einen kurzen Moment ein stolz lächelndes, weißhaariges Mütterchen im Fernsehen zu sehen war. Dass Clint Eastwood eine Mama hat, war bis zu diesem Tag einfach undenkbar. Eastwood steht jenseits so banaler physischer Prozesse wie Geborenwerden oder Altern. Er ist einfach da bzw. immer schon da, so wie er bei Leone plötzlich im sonnengleißenden Wüstenstaub erscheint oder in Don Siegels „Dirty Harry“ aus einem unaufgeräumten Polizistenschreibtisch hervorzuwachsen scheint.

Eastwood ist ein reines Kinowesen. Dass er sich vor seinem ersten Film als Schwimmlehrer und Holzfäller durchschlug, ist nur zu akzeptieren, weil sich diese virilen Berufe so wunderbar mit seinem mythischen Mannsein vertragen, also praktisch auch als Ausdehnung seiner Filmexistenz begriffen werden müssen. Wenig später flog er ja auch schon nach Spanien, um mit irgendeinem Italiener, der kein Englisch konnte, einen billigen Western zu drehen: „Für eine Handvoll Dollar“. Mit Stoppelbart, Zigarrenstumpen und trotz dieses albernen Ponchos entstand da 1964 die mythische Urform all seiner weiteren Rollen: Der stoische, geschichtslose „Mann ohne Namen“, der mit amerikanischem Pragmatismus umlegt, was umgelegt werden muss, ohne von irgendeines Gedanken Blässe angekränkelt zu sein. Die Rolle wurde zum Inbegriff einer titanischen Unbewegtheit, die bis dahin höchstens noch Robert Mitchum auf der Leinwand ausstrahlte.

So wie Mitchum zeigte auch Eastwood hin und wieder kokett seinen nackten Oberkörper, zum letzten Mal in „Ein wahres Verbrechen“. Das war fast schon eine Kraftprobe mit der eigenen Legende, die natürlich zugunsten der Legende ausging. Genau deshalb konnte er das eigene Altern in seinen letzten Filmen auch so entspannt thematisieren – der kurzatmige Leibwächter in Wolfgang Petersens „In the line of fire“ oder der Schweine züchtende Ex-Kopfgeldjäger in „Erbarmungslos“ sind eben keine Dekonstruktionen des Eastwood-Mythos, sondern die permanente Bestätigung seiner Unzerstörbarkeit. In seinem neuen Film „Space-Cowboys“ ist er ein pensionierter Astronaut und noch dazu der einzige Mensch, der einen auf die Erde zurasenden Satelliten reparieren kann. Mit seinen alten Kumpels ( u. a. James „Rockford“ Garner) bildet Eastwood ein richtiges Rentnerquartett im All. Passt irgendwie zum 70. Geburtstag.