Pullerpoller für ganz Bremen

■ Die Männerurinale im Viertel haben sich nach Meinung der Anwohner bewährt / Die Stadt spült ihr Geld dagegen lieber ins Automatenklo / Anwohner sind teilweise dankbar

Sie können nun mal nicht anders. Wenn's drückt, muss es raus. An Stromkästen, an Garagentore, in Hauseingänge und an Bäume sowieso. Danach kurz geschüttelt, eingepackt, Reißverschluss zu und weiter als wär nichts gewesen. Irgendwann stinkt es – Grund für weitere Exemplare der Spezies, Grund, auch Zeichen zu setzen. Ob Klo oder nicht: Männer pissen.

Zwei graue Plastikobelisken sollen im Viertel den Schwall der Flüssigdefäkation eindämmen: Männerurinale, Pinkelbecken. Eins in der Bernhard-, das andere in der Luisenstraße. Aufgestellt vom Lagerhaus letzten September, nicht weil es da nicht genügend Klos gäbe, sondern weil es sich um ein Experiment handelt. Kosten für die Pinkelsäulen: 9.000 Mark, Installation inklusive. Ziel: Die Stadt mit dem Versuch überzeugen, dass hier eine vergleichsweise preiswerte Variante zum Auffangen männlicher Bedürfnisse existiert.

Im Lagerhaus ist Anwohnerversammlung. Elf von rund 120 Menschen im Dunstkreis der Dinger sind da. „Ich freu' mich immer, wenn ich da einen sehe“, sagt einer. Aber trotzdem: Manchen reicht's. Stinkt's. Denn auch wenn die gelbe Brühe aus den grauen Becken per Schlauch direkt in die Kanalisation läuft – es hätte auch die 400-Liter-Tankvariante gegeben, die aus Angst vor Umsturzversuchen, Urinalrevolten sozusagen, nicht genommen wurde – also, obwohl alles unsicht- und -riechbar abfließen soll, müffelt es ab und an. Die Bewohner von Bernhardstraße 12 haben die Nase voll: Das Pissoir steht direkt vor ihrer Haustür, muss da stehen wegen des Gullis drunter. „Wir wollten dem Versuch nicht in den Rücken fallen“, sagt ein Mann von Bernhardstraße 12. Aber nun müsse Schluss sein, „so oder so“.

Schluss wird sein, spätestens im Juli. „Denn wir sind keine Toilettenbetreiber“, sagt Bernd Scheda vom Lagerhaus, „das ist Sache der Stadt.“ Aber die Lagerhausleute wollen noch das Urin von Bremeninale und Ostertorfest mitnehmen – um zu zeigen, dass die Dinger auch großveranstaltungstauglich sind. Bernhard 12 ist strikt dagegen. Warum er sich wegen der zwei Monate so aufrege, halten andere dagegen. Wozu man die Erfahrung der Massenauf- und -ausläufe noch brauche, die Säulen hätten sich doch bewährt, also jetzt abbauen und die städtische Großoffensive fordern, meinen die Nächsten. Dann beschließen sie: Sie schreiben Ortsamtsleiter Robert Bücking. Er möge dafür sorgen, dass die Reinigungs- und Umsetzkosten von der Stadt übernommen werden, dass ein besseres Konzept entstehe – die Säulen sehen, das sagen alle, scheußlich aus. Überdies bleiben die Pullerpoller geduldet.

Robert Bücking will gleich „50 von den Dingern über die ganze Stadt verteilen“, dankt den Anwohnern für ihre Geduld, hat den Brief noch nicht bekommen und kann ergo nichts dazu sagen und verweist ansonsten auf das Gesundheitsressort. Da weiß keiner Bescheid, beim Bauressort auch nicht.

Die grauen Plastiksäulen haben sich also bewährt. Ein paar hundert Meter weiter den Sielwall hinauf am Osterdeich steht ein ovales Automatenklo. Kostet eine Mark, sperrt den Bedürftigen für höchs-tens eine Viertelstunde in Siebzigerjahreambiente mit Aluschüssel, desinfiziert sich unter lautem Getöse – und bewährt sich gar nicht. Die Stadt habe die Klos geleast, für viel Geld, „aber das ist in keinster Weise mit den Münzen verdient,“ weiß ein Insider, „die da reingedrückt werden.“ sgi