Gott ist nur mehr eine hirnlose Puppe

„Theater ist wie die Pest“: El Periférico de Objetos interpretieren im Hebbel Theater Madrigale von Monteverdi

„Das Theater ist wie die Pest“, kreischt der Clown, der gleich wieder von der Bühne gestoßen wird. „Es ist eine Krise, ein Übel, vom Atem der Wahrheit angestachelt.“ Die Theatergruppe El Periférico de Objetos und das das Barock-Ensemble Elyma, beide aus Buenos Aires, haben ihrer ungestümem Monteverdi-Bearbeitung diese theatertheoretische Absichtserklärung wie einen Beipackzettel zugelegt, eine Art künstlerische Gebrauchsanweisung für einen wilden, teilweise verstörenden Abend. Der Auftakt gehört aber noch ganz den „Madrigali amorosi e guerrieri“ von Monteverdi, die hier eher melancholisch als heiter verspielt vorgetragen werden, doch trotzdem könnte man schon gewarnt sein: „Soll ein anderer von Amor singen“, so heißt das in den „Altri canti d’amor“, die den Liederreigen eröffnen, „ich singe von Mars, von den harten Kämpfen und kühnen Schlachten.“

Das Feld der Liebe ist abgesteckt als Schlachtfeld. Was sich nun entfaltet, sind radikale Theaterfantasien, denen die barocken Gesänge als Rahmen und Reibungsfläche dienen. Theater und Musik greifen nicht ineinander, sondern streiten und unterbrechen sich gegenseitig.

Da versammelt sich die Gruppe in einer Art Probensituation, der Dirigent Gabriel Garrido sitzt als Regisseur an der Seite, fordert die Schauspieler und verwirft ihre Darbietungen wieder. Einer setzt sich eine Gummimaske auf, sticht sich mit spitzen Instrumenten in Augen, Mund und Nase, taumelt blutüberströmt auf seinen Platz zurück. Menschen kopulieren mit lebensgroßen, kahlen Gummipuppen. Leben und Liebe werden reduziert auf einen mechanischen Reflex. El Periférico will ihr Theater nicht als explizit politisches verstehen, aber die Lebenswirklichkeit, auf die sie sich protestierend beziehen, bleibt so undeutlich, das sich nach einer Weile der Eindruck der Beliebigkeit einstellt.

Das ändert sich erst im dritten und letzten Teil. Monteverdis Madrigal über den unglücklichen Tankredi, der seine Liebste Clorinda nicht erkennt und sie deshalb im Kampfe tötet, wird begleitet von einer Operation an einer Puppe. Die Reise ins Menscheninnere, die Suche nach der Quelle des Schmerzes, parallel zum hohen Lied der Liebe, das Monteverdi noch singt, endet bei der rohen, zuckenden Körperlichkeit, findet nichts das bloße blutige Herz. Die sterbende Liebende flüchtet sich in die Arme einer überlebensgroßen, gewaltigen Baby-Puppe, Buddha oder Jesuskind mit abgesägtem Kopf.

Kein Zufluchtsort mehr, dieser Gott, nur mehr eine blinde, hirnlose Puppe? El Periférico bleiben in vielen Anspielungen – zumindest für europäisches Verständnis – diffus. Aber die gotteslästerlichen Fragen werden mit heiligem Zorn gestellt, mit einer Kraft, die berührt.

REGINE BRUCKMANN

2. bis 4. Juni, 20 Uhr, Hebbel Theater, Stresemannstr. 29, Kreuzberg