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: HELMUT HÖGE über Traumjobs

Alle Macht dem Globalisierungskritiker

Neuerdings trifft man auf Podien und Konferenzen immer öfter so genannte Globalisierungskritiker, ja sogar „anerkannte GlobalisierungskritikerInnen“ – zuletzt auf der Le-Monde-Diplomatique-Diskussion im Berliner Haus der Kulturen der Welt in der John Foster Dulles Allee.

Mich verschlug es anschließend in die Moabiter Kneipe „Uschi und Ich“. Während ich dort an der Theke saß und noch darüber nachdachte, ob das nicht auch für mich der richtige Beruf wäre – ein gottverdammter Globalisierungskritiker –, fing neben mir plötzlich Hans an, auf die Wirtin – Uschi – zu schimpfen. Am Schluss seiner Tirade, die Uschi übrigens still über sich ergehen ließ, sagte er: „Ach, geh mir doch los, du olles Globalisierungsarschgesicht.“ Anscheinend war auch Hans, der zuletzt eine Kita-Kontrollgruppe auf ABM-Basis in Pankow kontrolliert hatte, inzwischen voll im Globalisierungskritik-Geschäft tätig. Ähnliches passierte mir dann im Café Anadolu in der Wiener Straße in Kreuzberg: All die türkischen Senioren dort waren mittlerweile Globalisierungskritiker geworden – und wie!

Selbst in den Kreuzberger Grundschulen hat sich dieser neue Beruf schon voll durchgesetzt: Wenn ein Lehrer mal wieder mit einem pubertierenden Bosnier oder Kurden nicht klarkommt, dann sagt er auf der Lehrerkonferenz bloß noch: „Aus dem wird mal ein richtiger Globalisierungskritiker!“

Sogar die schnelle Eingreiftruppe für die Heroinhändler im U-Bahnhof Schönleinstraße bedient sich dieses Jargons – und spricht in ihren Fahndungsmeldungen zum Beispiel davon: Diesen oder jenen „schnurrbärtigen Globalisierungskritiker – den schnappen wir uns, sobald er die Treppe hochkommt“.

Klar, es gibt unfreiwillige Globalisierungskritiker – wie unseren Regiermeister Diepgen oder den Dienstleister Dussmann. Es gibt unseriöse Globalisierungskritiker – wie die Neonazis oder Hans aus Moabit. Verpisste Globalisierungskritiker – wie Erwin und Moni am Kotti. Verbeamtete Globalisierungskritiker – wie die Konstanzer Unileute und die Politologie-Profs vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität.

Aber es gibt daneben auch ganze Regionen, die voll auf Globalisierungskritik setzen – zum Beispiel die Ostler in den fünf neuen Bundesländern: Was ist deren Nörgeln und Nölen anders als angewandte Globalisierungskritik? Das geht bis dahin, dass sie sich zum Beispiel standhaft weigern, ihre ganzen kleinen Scheißläden – Existenzgründungen genannt – länger als bis 17 Uhr 55 offen zu halten.

Neulich behauptete ein Leipziger Philosoph, Peer Pasternak, der über die Abwicklung der ostdeutschen Wissenschaft geforscht hatte, es gehöre wesentlich zum westlichen Pluralismus, dass auch der Marxismus-Leninismus staatlicherseits gelehrt werden müsse. Der Ostler spinnt, dachte ich. So weit kommt es noch, aus dem Marxismus-Leninismus eine öde Seminarveranstaltung mit Referatszwang zu machen.

Aber genau das passiert zur Zeit – nahezu überall: nur dass der aggressive Antikapitalismus jetzt Globalisierungskritik heißt. Ohne Globalisierungskritik ist schon fast gar keine Forschung und Lehre mehr möglich. Sogar völlig korrupte Karrieristinnen – wie Riedmüller-Seel, Anke Martiny, Cora Stephan und Georgia Tornow – machen nun lauthals einen auf Globalisierungskritik. So beschwerte sich Letztere, nach der übrigens inzwischen eine globale Rosensorte benannt ist, zum Beispiel gerade darüber, dass die Kapitalgeber die Verluste ihrer Wirtschaftszeitung Econy nicht mehr länger hinnehmen wollten. Was ist das anderes als Globalisierungskritik? Höchstens könnte man es noch als Kapitalismusfeindlichkeit durchgehen lassen. Beides läuft aber auf dasselbe hinaus.

Um es kurz zu machen: Der Menschenrechts-Aktivist, der Umweltschutz-Experte, der Jugo-Krisenmoderator – all diese Berufe sind out! Behaupte ich. Der neue Wunschberuf bei alt und jung – das ist der Globalisierungskritiker. Schon wirbt zum Beispiel die Uni Bochum mit dem Spruch: „Wir bilden die Globalisierungskritiker von morgen aus!“ Gleiches könnte auch die Leitung des Tegeler Knasts von sich behaupten.