mallorquinische erkenntnisse
: Flaschen füllen sich

Wie es um die Nationalelf steht

Jetzt geht’s los: Die Zeit des Kaffeesatzlesens, der Spekulationen und sogar der ersten Zuversichtssprenkel hat begonnen. Ist die deutsche Nationalelf doch besser als Böswillige hoffen? Muss man Spott begraben und Sorgenberichte stoppen?

Gibt es wirklich Hoffnung? Eindeutig: ja. Bzw.: Wieso denn das!

Locker 4:0 haben sie gewonnen. Ohne richtige Vorbereitung. Auswärts. Bei Real Mallorca. Einem spanischen Erstligisten. Ohne Matthäus, Jeremies und Scholl, drei Stammkräfte, und trotz Lehmann im Tor in der 2. Hälfte, der seine konstante Form mehrfach durch Griffe ins Nichts bestätigte.

Locker 4:0 gegen Mallorca. Gegen einen lustlosen Sparringspartner, dessen Saison lange vorbei ist. Der dennoch etliche dicke Chancen hatte in Halbzeit 1. Der die ersten beiden Gegentore durch den starken Jancker (25. Minute) und Wosz (56.) herschenkte dank seltsamer Abwehrtölpeleien. Der am Ende nur noch Lust auf kleine Foulscharmützel hatte und die beiden Rink-Tore in den Schlussminuten wehrlos zuließ. Passenderweise wusste danach so recht keiner, was sagen. Von großer Erleichterung war die Rede, von einer Art Befreiung nach den Fiasken in den Testspielen zuvor. Teamchef Erich Ribbeck sprach von „ganz guter Werbung für uns“, wo er doch die immerhin 7,4 Millionen TV-Zuschauer daheim insgeheim als „sensationslüstern“ eingestuft hatte. Neue Blamage – neuer Spaß: Ist der Deutsche schon so weit gesunken?

Aber bitte auch keine Euphorie: „Man darf sich nicht blenden lassen“, schlussfolgerte der frühere Toreerzieler und späte Einwechselspieler Oliver Bierhoff (610 Minuten ohne DFB-Tor), der bald als Non-Playing-Käptn auf der Bank seinen Stammplatz sicher haben dürfte. „Nicht zu euphorisch“ dürfe man sein, wusste Ribbeck. Und DFB-Delegationsleiter Gerhard Mayer-Vorfelder („man darf die Leistung nicht zu schön reden“) wurde sogar poetös: „Das war eine Schwalbe, aber der Sommer ist noch nicht da.“ Was kalendarisch kompetent ist, denn exakt bei Sommerbeginn könnte die deutsche Elf bei der Euro schon ausgeschieden sein.

Alles in allem eine recht sozialdemokratische Lage: einerseits, andererseits, vielleicht und überhaupt. Zarte Hoffnung erwächst aus dem mallorquinischen Spirit („Geist von Palma“). Die Stimmung sei gut. Horst Hrubesch, der neue Assi mit der karrierelangen Misserfolgsbilanz als Trainer, feierte sein erstes Erfolgserlebnis. Er hat die Rolle des Spaßmachers, Animateurs und Gute-Laune-Onkels übernommen. Horst Floskelgott weiß: „Fußball spielt man am besten mit Spass.“ Zum Themenpark Taktik und Spielsystem meint er: „Modern ist, wenn du gewinnst.“ Im Spiel durfte Hrubesch eine Fehler-Strichliste der unnötigen Ballverluste niederschreiben.

Körperlich sind die Kicker nach der Mammutsaison in schlechter Verfassung. Die aktuellen Laktatlage wird geheim gehalten. „Besser als erwartet“, frohlockt Ribbeck, was heißt: Nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Teamdoc Kindermann zieht kühne Schlüsse: „1996 war die Mannschaft auch körperlich verschlissen und ist trotzdem mit reiner Willenskraft Europameisterschaft geworden.“ Man denke nur „von Tag zu Tag“, läßt Hrubesch wissen, da gehe es um „Detailabstimmung“. Immerhin: Sie sind schon bei den Details. Und Abstimmung wird als möglich erachtet.

Loddas Muskel verfitzelte (aber der Ewige trabt schon wieder), Mehmet Scholl hatte Blasen an den überbeanspruchten Füßen, Kahn kränkelte, Jeremies rekonvalesziert noch. Nach dem Mallorca-Match streikten Kirstens Wade, Zieges Kniekehle, Ramelows Oberschenkellockerheit. Ein gutes Zeichen: Wenn der Deutsche malade darnieder liegt, ist er gefährlich wie ein angeschossener Panter. Und kriegt Mitleidspunkte. Und hat Ausreden, kann aber zeigen, dass er kämpfen kann. Immer wieder aufstehn und zeigen, es geht doch.

Morgen Abend geht es gegen Tschechien. 90 Minuten für neue Spekulationen, ob die Mannschaft genauso mittelmäßig ist wie viele andere oder sogar vielleicht herausragend mittelmäßig. Holland hat übrigens bei Servette Genf 4:0 gewonnen. Was das wohl wieder heißt? BERND MÜLLENDER