RUDOLF SCHARPING PRÄZISIERT SEINE PLÄNE ZUM UMBAU DER ARMEE
: Nur keinen Ärger

Hohn und Spott erntete Rudolf Scharping, als er kürzlich behauptete, seine Vorstellungen unterschieden sich im Kern gar nicht so sehr von den Empfehlungen der Wehrstrukturkommission unter Vorsitz des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Als bloße Floskeln wurden die Äußerungen des Verteidigungsministers abgetan. Zu Unrecht. Details der Pläne von Scharping, die jetzt bekannt geworden sind, zeugen tatsächlich von vielen Gemeinsamkeiten. Leider.

Die Unterschiede zwischen beiden Konzepten sind allerdings augenfällig und für eine grobschlächtige Diskussion gut geeignet. Die Weizsäcker-Kommission empfiehlt eine erheblich geringere Personalstärke der Bundeswehr als Scharping und will auch sehr viel weniger Wehrpflichtige einziehen als der Verteidigungsminister. Einige Bündnisgrüne, die offenbar lieber knappe Zusammenfassungen als lange Texte lesen, halten den Kommissionsbericht für die moderne Form eines Abrüstungspapiers. Da haben sie etwas missverstanden. Die Weizsäcker-Kommission empfiehlt den Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee und will vor allem die Effizienz der Streitkräfte stärken. Deshalb plädiert sie dafür, die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten nicht nur nicht zu verringern, sondern im Gegenteil sogar noch zu erhöhen. Das ist im Blick auf mögliche Einsätze der Armee außerhalb des Bündnisgebietes von erheblich größerer Bedeutung als die Zahl der Wehrpflichtigen – mit denen möchte ohnehin niemand in einen Krieg ziehen.

Auch Scharping will dafür sorgen, dass es mehr deutsche Berufs- und Zeitsoldaten gibt als jetzt, und künftig weniger Wehrpflichtige einziehen lassen. Die Differenz zwischen seinen Plänen und dem Kommissionsmodell gründet weniger auf unterschiedlichen militärpolitischen Analysen als vielmehr auf dem Wunsch des obersten Feldherren, so wenig Standorte wie möglich schließen zu müssen und einen bei Abschaffung der Wehrpflicht drohenden Beförderungsstau im Offizierskorps zu verhindern. Er möchte sich keinen Ärger mit der Truppe einhandeln. Die Wehrgerechtigkeit bleibt bei beiden Konzepten auf der Strecke.

Der einzige substanzielle Unterschied zwischen Scharping und der Kommission besteht darin, dass der Minister nicht mehr an der bisherigen Aufteilung der Armee in Krisenreaktionskräfte und Verteidigungskräfte festhalten will. Damit ließe sich immerhin die Gefahr verringern, dass Interventionstruppen – die bisherige Elite – allein schon deshalb in einen Einsatz geschickt werden, weil sie nun mal da sind. Der politische Handlungsspielraum, sich nicht an einer Intervention zu beteiligen, wird wenigstens innenpolitisch größer. Wenn sich denn jemand findet, der diesen Spielraum nutzen möchte. BETTINA GAUS