Das Töten mit Worten wird bestraft

Ruanda-Tribunal verurteilt Rundfunkjournalisten wegen Aufwiegelung zum Völkermord. Jetzt wird die Rolle der Medien im Genozid thematisiert – eine überfällige Debatte für das Afrika der Großen Seen, wo ethnische Intoleranz noch weit verbreitet ist

von DOMINIC JOHNSON

Das Ruanda-Tribunal der Vereinten Nationen hat gestern ein historisches Urteil gefällt. Zum ersten Mal wurde ein Journalist wegen Aufwiegelung zum Völkermord und Beteiligung daran verurteilt. Der Italo-Belgier Georges Ruggiu, einst hochrangiger Mitarbeiter des Völkermordradios „Radio-Télévision Libre des Mille Collines“ (RTLM), bekam zwölf Jahre Gefängnis (siehe Porträt Seite 11).

Nach Angaben der Anklage des im tansanischen Arusha tagenden Tribunals ist der Fall Ruggiu ein Präzedenzfall, der hilft, den in der Rechtsgeschichte neuen Tatbestand der „Aufwiegelung zum Völkermord“ präziser zu definieren. Bisher hat das Ruanda-Tribunal nur ein einziges Urteil wegen Aufwiegelung gefällt – gegen Jean-Paul Akayesu, während des ruandischen Völkermordes von 1994 Bürgermeister der Gemeinde Taba. Er hatte in Reden zum Massenmord an der Tutsi-Minderheit aufgerufen. Mit dem Urteil gegen Ruggiu, dessen Sender während des Genozides in Ruanda das Hauptmedium für Appelle zur Vernichtung von Tutsi war, werden nun auch Völkermordaufrufe in den Medien justiziabel. Ruggiu soll nun als Zeuge der Anklage auftreten, wenn am 5. Juni in Arusha ein Sammelprozess gegen ruandische Journalisten beginnt: Ferdinand Nahimana, Exdirektor von RTLM und Hassan Ngeze, Exchefredakteur der Hutu-Extremistenzeitung Kangura. Dieses Verfahren wird nach dem Urteil gegen Ruggiu, der ursprünglich zu den Mitangeklagten in diesem Sammelprozess gehören sollte, erstmals direkte Einblicke in die Rolle der Medien bei der Entstehung und Verbreitung von Rassenhass im Afrika der Großen Seen bieten.

Für eine Weltregion, die aus dem Kreislauf von Rassismus und ethnisch organisierter Gewalt noch nicht herausgefunden hat, könnte dies einen wichtigen Schritt nach vorne bedeuten. Zwar sind in Ruanda, Burundi und dem Osten der Demokratischen Republik Kongo alle staatlichen Institutionen offiziell dem Ziel verpflichtet, die jeweilige nationale Einheit zu fördern und ethnische Spaltungen als bloße Überbleibsel der früheren Hetze von heute entmachteten Politikern zu begreifen. In Ruanda und Burundi ist es tabu, von Hutu und Tutsi zu reden. Aber es existiert keine etablierte unabhängige Medienlandschaft, die dieses Gedankengut in der Gesellschaft verankert.

Zwar gibt es einige Printmedien, die sich als kultiviert verstehen, diese sind aber nur einer des Lesens mächtigen Minderheit zugänglich, zumal, wenn sie auf Französisch oder Englisch publizieren. Private Radiosender sind zuweilen immer noch Instrumente der Hetze, zum Beispiel, wenn im Osten des Kongo über klandestinen Rundfunk zur Jagd auf Ruander aufgerufen wird. Auch eine Journalistenausbildung ist in dieser Region entweder nicht existent oder wegen fehlender Mittel rudimentär.

Die fortdauernden militärischen Aktivitäten ruandischer und burundischer Hutu-Milizen im Osten des Kongo gegen die dort stationierten ruandischen und burundischen Armeen tragen zum Klima der Intoleranz bei. In Ruanda, das eigentlich seit der ruandischen Besetzung Ostkongos militärisch relativ ruhig ist, kam es, wie erst jetzt bekannt wurde, am 24. Mai zum ersten bestätigten Angriff von aus dem Kongo eingesickerten Hutu-Milizen in diesem Jahr. Auch in Burundi haben sich in den letzten Wochen die Kämpfe zwischen Hutu-Guerilla und Tutsi-dominierter Armee verstärkt.