Ärger in Wien wegen EU-Vorstoß

Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel soll laut Zeitungsberichten einen Vorschlag der EU zur Aufhebung der Sanktionen abgelehnt haben. Dabei könnte der freiheitliche Koalitionspartner seine Finger im Spiel gehabt haben

aus Wien RALF LEONHARD

Zu einer erfundenen Sache nehme er nicht Stellung, erklärte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gereizt zu einem Artikel in der Freitagsausgabe der Tageszeitung Der Standard. Dort wird berichtet, Schüssel hätte ein von der portugiesischen Ratspräsidentschaft ausgearbeitetes Angebot für eine einvernehmliche Aufhebung der so genannten Sanktionen der EU-14 abgelehnt.

Unter Berufung auf Quellen in Brüssel hatte der Standard von einem geheimen Vorstoß gesprochen, der der Regierung von einem Emissär der EU unterbreitet worden sei. Danach sollten die Maßnahmen zum Jahresende aufgehoben werden, wenn eine Beobachtergruppe, die die innenpolitische Entwicklung prüfen solle, einen positiven Bericht abgebe. Schüssel soll das Angebot zurückgewiesen haben.

„Schüssel hat abgelehnt, was er ursprünglich selbst vorgeschlagen hatte“, wird ein Sprecher einer europäischen Staatskanzlei zitiert. Vor wenigen Wochen noch war Außenministerin Benita Ferrero-Waldner als Eisbrecherin gefeiert worden, weil sie beim Außenministertreffen auf den Azoren ins Zentrum des „Familienfotos“ gestellt worden war. Sie hatte dort einen Beobachtungsmechanismus, der zur Aufhebung der Sanktionen führen sollte, vorgeschlagen.

Tatsächlich wird in der EU seit einiger Zeit nach einem Ausstiegsszenario gesucht. Den Zweck, die Freiheitlichen aus der Regierung zu vertreiben, haben die Sanktionen nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Koalition sitzt wegen der diplomatischen Unfreundlichkeiten fest im Sattel.

Dass die im Standard geschilderte Geheimmission stattgefunden hat, erscheint plausibel. Schüssels Sprecherin Heidi Glück wollte in einer ersten Reaktion auch nichts dementieren.

Denkbar ist, dass Schüssel vom Koalitionspartner zurückgepfiffen wurde. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer verkündete kategorisch: „Das Unterbeobachtungstellen Österreichs in dieser Form ist nicht akzeptabel.“ Jörg Haider schürt seit einiger Zeit erfolgreich die Anti-EU-Stimmung und überlegt, dass man auch austreten könne, wenn man nicht geliebt wird.

Tatsache ist, dass die Sanktionen beim Volk schlecht ankommen. Im Schatten der EU-Maßnahmen boxte die Regierung ein brutales Sparpaket durch. Die ersten Tariferhöhungen traten zum 1. Juni in Kraft. Da käme es ungelegen, wenn statt über die EU über den Griff ins Portemonnaie geschimpft würde.