„Das entzieht sich intellektuellen Kategorien“

Hans Joachim Meyer, Präsident des ZdK, über die kritischen Äußerungen der Bischöfe Dyba und Meisner zu Laien und Katholikentag

taz: Die Bischöfe Joachim Meisner und Johannes Dyba haben die katholischen Laien für ihre Haltung in der Schwangerenkonfliktberatung wie auch für den Katholikentag selbst scharf kritisiert: Fühlen Sie sich von diesen beiden noch ernst genommen?

Hans Joachim Meyer: Da könnte ich natürlich die Frage stellen, wie ernst muss ich das nehmen? Wenn Johannes Dyba jetzt Äußerungen tut wie in Ihrer Zeitung, dann entzieht sich das allen intellektuellen und argumentativen Kategorien. Ich könnte mich genauso über die Frage unterhalten, ob die Erde vielleicht doch eine Scheibe ist oder der Mond ein großes Stück Käse. Ich kann doch nicht ernsthaft darüber ein Gespräch führen, ob die deutschen Bischöfe mit Ausnahme von Dyba und vielleicht noch Meisner gegenüber der Politik servil sind. Darüber kann man nicht reden.

Dyba hat auch gesagt, dass 80 Prozent des Katholikentag-Programms nichts mit dem Glauben zu tun hätten.

Wie soll darüber ein Gespräch möglich sein? Wo soll ich da ansetzen? Was jedoch Meisner anbelangt: Das ist ein anderer Punkt. Kardinal Meisner hat ernsthaft Angst um die Kirche in der freiheitlichen Gesellschaft. Wir sind ja beide Ossis und wir kennen uns seit langem. Er hat den Schock der freiheitlichen Gesellschaft, den ich auch habe, niemals richtig verkraftet. Er glaubt wohl, man könnte die Kirche retten und ihr dienen, wenn man sich in eine Festung mit großer Rundumverteidigung gegen die freiheitliche Gesellschaft setzt. Ich halte das für einen großen Irrtum. Wir müssen zwar klar Flagge zeigen und dürfen uns nicht anpassen. Aber ich muss mich doch mit Fragen oder Themen dieser Zeit auseinander setzen. Man kann die nicht abbürsten und sagen: „Ich stelle mich auf die Position des Glaubens, und die Kirche war immer unwandelbar. Ich setze Gottes Geist gegen den Zeitgeist.“ Nein, im Geist der Zeit weht auch Gottes Geist. Man muss ihn nur entdecken. Das ist ein mühsames Geschäft. Aber das ist unsere Herausforderung.

Ist der Katholikentag durch die Äußerungen von Meisner und Dyba belastet?

Ich sehe das nicht. Ich würde mich freuen, wenn die Berichterstattung vom Katholikentag nicht durch ein Thema belastet wird, von dem ich der Meinung bin, dass wir es im Großen und Ganzen abgeschlossen haben. Es kann eine Beeinträchtigung der Berichterstattung über den Katholikentag dadurch geben – den Katholikentag selber kann es nicht beeinträchtigen.

Warum sperrt sich das Zentralkomitee gegen die Initiative der Gruppe „Kirche von unten“, gemeinsam mit evangelischen Christen das Abendmahl zu feiern?

Wie will ich denn ein Zeichen der Gemeinsamkeit setzen, wenn ich weiß, es gibt über diese Sache Streit, und zwar mit der Mehrheit der Kirchen?

Es könnte jedoch der erste Schritt sein.

Nein, das kann es nicht. Ich kann den ersten Schritt nur gehen, wenn ich dessen sicher bin, dass der zweite folgen kann. Bei einem solchen Punkt wie dem Abendmahl kann ich nicht gleichsam mit der Aktion spielen. Dafür ist die Sache zu ernst.

Wird nicht 2003, beim ökumenischen Kirchentag in Berlin, dieser Regelverstoß massenhaft stattfinden?

In der Vorbereitungsgruppe des Ökumenischen Kirchentages sind wir uns einig, dass wir gemeinsam tun, was wir gemeinsam tun können. Es ist immer noch ein Unterschied, ob sich katholische und evangelische Christen als je einzelne in einem Kreis, der sich kennt und einig ist, dazu entschließen, das Abendmahl gemeinsam zu feiern, oder ob Christen als Repräsentanten, wie beim ZdK, für andere so handeln. Dafür gibt es noch keine Voraussetzungen.

Ein heimliches, gemeinsames Abendmahl ist in Ordnung?

Ich habe nicht gesagt „heimlich“. Wir müssen uns nur der Konsequenzen unseres Handelns bewusst sein – für die Kirche.

Kann dieser Katholikentag den Streit zwischen Laien und Bischöfen in der Schwangerenkonfliktberatung schlichten?

Wir bemühen uns ja darum. Wir werden uns auf jeden Fall nicht in einen Konflikt mit den Bischöfen hineintreiben lassen. Wir werden uns auf solche Gegensätze wie „hier Amt – dort Volk“ nicht einlassen, weil sie nicht der Wahrheit entsprechen. Es gibt unter den Amtsträgern solche, die eher bewahren, und solche, die eher erneuern. Genauso ist es im Kirchenvolk.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER