Kann denn Ökumene Sünde sein?

Ob Abtreibung, Abendmahl oder Priesterinnenweihe – praktisch jede Streitfrage zeigt: die katholischen Laien sind viel weiter als ihre Kirchenfürsten

aus Hamburg PHILIPP GESSLER

Der Auftakt – ein Paukenschlag. Erzbischof Johannes Dyba aus Fulda gab der taz eines seiner garantiert knackigen Interviews und haute drauf: auf den Katholikentag. Der führt seit Mittwochabend und noch bis morgen in Hamburg etwa 50.000 Gläubige zusammen. 80 Prozent des Programms des Treffens der katholischen Laien, der Nichtpriester, hätten mit Glauben nichts zu tun, so der stramm konservative Kirchenfürst. Es gebe dort „jeden Hauch von Schwachsinn“ und „Degenerationserscheinungen“.

Dabei hätte es der Polemik gar nicht bedurft, um dem Laientreffen, organisiert vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), Brisanz zu geben. Ist es doch die erste Zusammenkunft der Gläubigen nach dem Ausstieg der katholischen Kirche aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung. Bischof Dyba und Kardinal Joachim Meisner aus Köln hatten beim Papst in Rom eine Einigung der deutschen Bischöfe in dieser Frage hintertrieben – die Laien wurden erst gar nicht gefragt.

Sie gründeten daraufhin den bürgerlichen Verein „Donum Vitae“ (Geschenk des Lebens). Unter diesem Dach werden derzeit Beratungsbüros gegründet, die auch den umstrittenen Schein ausgeben. Der Verein sei nicht katholisch, erklärte Meisner im Vorfeld des Katholikentages. „Donum Vitae“ gefährde die Einheit der Kirche in Deutschland und fördere „die Verwirrung der Gewissen“.

Was er damit erreicht hat? Zumindest so viel: Ein zentrales Thema der Laienzusammenkunft an der Elbe vorzugeben.

Mehr Mitsprache gefordert

Traditionell spiegeln sich auf Katholikentagen alle derzeitigen Probleme der Gesellschaft – von der Frage der Wehrpflicht über die Globalisierung bis zur Integration der Immigranten. Flugs kamen denn auch Kanzler Gerhard Schröder, sein halbes Kabinett und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel – aber auch Gloria Fürstin von Thurn und Taxis oder Fernsehpfarrer Jürgen Fliege.

Die heimlichen Stars des Kirchentags, zumindest für die Laien, sind jedoch der 1979 vom Papst gemaßregelte Theologe Hans Küng, der erstmals offizieller Gast des Treffens war – und die evangelische Bischöfin Maria Jepsen aus Hamburg. Sie verkörpern die beiden Hauptfragen, um die sich im Grunde alles dreht: Was haben wir Laien in der Kirche zu sagen? Und: Wie kommen wir weiter mit der Ökumene?

Deutlich wird in Hamburg, dass die Antwort auf die erste Frage auch die auf die zweite ist. Nicht nur die jungen der insgesamt 27 Millionen deutschen Katholiken fordern vehement mehr Mitsprache in der absolutistisch verfassten Kirche ein. Sie sind bei praktisch jeder Streitfrage viel weiter als die Bischöfe.

Wo die Oberhirten noch ängstlich nach Rom schielen, haben die einfachen Katholiken ihr Urteil bereits gefällt: Nach dem Ergebnis einer Meinungsumfrage betonen mehr als 80 Prozent von ihnen, dass die Glaubenslehren des Papstes für sie nicht mehr verbindlich seien – sei es bei dessen Verbot künstlicher Verhütungsmethoden oder der Weihe von Priesterinnen. Deshalb erntet die Vorsitzende von „Donum Vitae“ Beifallsstürme, wenn sie die Laien dazu aufruft, trotz des Widerstandes konservativer Bischöfe den Verein zu unterstützen. Deshalb wird der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky, in der Bischofskonferenz für Frauen-Fragen verantwortlich, vom Publikum nur noch ausgelacht, wenn er das Diakonat der Frau als problematisch betrachtet – obwohl die deutschen Bischöfe dem Papst schon vor 25 Jahren die Zulassung dieser Fast-Priesterinnen empfohlen haben.

Gemeinsames Abendmahl gefordert

Vor allem aber haben die meisten Laien bei der Ökumene in der Praxis die Oberhirten bereits um Meilen abgehängt. Selbst strenge Katholiken aus Süddeutschland verlangen das gemeinsame Abendmahl mit ihren evangelischen Geschwistern. Wo immer die Forderung nach mehr Ökumene in Hamburg aufkommt, brandet Beifall auf.

Hinzu kommt: Die linken Kirchengruppen wie die „Kirchenvolksbewegung“ oder „Kirche von unten“, erstmals auf einem Katholikentag offiziell eingeladen, machen Druck in der gleichen Sache. „Kirche von unten“ beging gar einen Tabubruch und lud gestern abend zu einer „Ökumenischen Mahlfeier“, bei der auch ein katholischer Priester Brot und Wein segnen wollte – trotz ausdrücklichen Verbots von oben.

Die Aktion ist selbst unter Laien umstritten. Obwohl das ZdK auch eine gemeinsame Abendmahlfeier für die Zukunft fordert, sprach es sich gegen die „Kirche von unten“-Aktion aus. Für diesen Schritt sei es noch zu früh (siehe Interview). Deshalb wird es zum morgigen Abschluss des Katholikentages keine gemeinsame Abendmahlsfeier mit evangelischen Christen geben. Vor der ökumenischen Schlussfeier sollen Katholiken und Protestanten zunächst getrennt Eucharistie beziehungsweise Abendmahl feiern.

Zu mehr fehlt noch der Mut. Doch klar wird auf dem Katholikentag auch, dass die Laien sich solch kirchenpolitisch-theologischem Krampf nicht mehr beugen wollen – zumal schon in drei Jahren der erste ökumenische Kirchentag in Berlin stattfinden wird. Letzte Frage deshalb an Maria Jepsen: „Wird es 2003 das gemeinsame Abendmahl geben?“ – „Ich hoffe es“, sagt sie und muss schnell weiter – zu einer ökumenischen Feier auf dem Hamburger Rathausmarkt.

Erzbischof Dyba übrigens trat auch auf dem Katholikentag auf: zu einer rein katholischen Eucharistie. Mit Soldaten.