Geduld haben macht reich

■ Holger Wulschner gewinnt das 71. Hamburger Spring-Derby, Isabell Werth siegt in der Dressur

Holger Wulschner hat das perfekteste Wochenende in seiner Laufbahn erlebt. Als erster ostdeutscher Reiter nach der Vereinigung gewann der 36-Jährige aus Passin gestern in Hamburg das mit 300.000 Mark dotierte 71. Deutsche Spring-Derby. Mit dem zwölfjährigen Holsteiner Hengst Capriol blieb der Mecklenburger als einziger der 25 Starter auf dem tradi-tionsreichen 1230 m langen und mit 17 Natur-Hindernissen bestückten Parcours ohne Fehlerpunkte in 157,85 Sekunden und bestätigte damit seine Siege in den beiden Qualifikationen. Der 128. Null-Fehler-Ritt in der 80-jährigen Derby-Geschichte brachte Wulschner zu allem Überfluss auch noch 100.000 Mark ein.

Mit diesen Erfolgen hat er eine lange Durststrecke beendet. „Man muss Geduld haben. Capriol war lange Zeit verletzt. Mit ihm und meinem neuen Pferd Cabrol sind wieder Perspektiven da“, sagte Wulschner. „Die Siege hier geben Sicherheit, auch für die deutschen Meisterschaften in zwei Wochen.“ Auf die Olympischen Spiele in Sydney spekuliert er noch nicht. „Ich habe mir abgewöhnt, so weit im Voraus zu denken.“ Capriol setzte mit dem Sieg eine Familien-Tradition fort. 1959 gewann seine Großmutter Retina unter dem legendären Reiter Fritz Thiedemann das Derby.

Wulschner musste noch lange warten, bis sein Sieg feststand. Während seine Konkurrenten durch den Parcours gingen, lenkte er sich mit dem Grand Prix von Monaco ab. Doch das Zittern war gar nicht nötig gewesen: Die nachfolgenden Reiter leisteten sich alle Abwürfe. Zweiter wurde letztlich Markus Merschformann aus Müns-ter mit dem schon 19 Jahre alten Wallach Wum mit 4 Fehlerpunkten vor Mannschafts-Europameister Ludger Beerbaum aus Riesenbeck mit Champion du Lys. Merschformann erhielt immerhin noch 70.000 Mark Prämie. Beerbaum, der 1998 mit Chamion du Lys gewann und im vergangenen Jahre Zweiter wurde, durfte sich mit 50.000 Mark trösten.

Bereits am Vormittag hatte die dreimalige Olympiasiegerin Isabell Werth aus Rheinberg ihr reiterliches Können eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Zum vierten Mal gewann die 30 Jahre alte Juristin das Dressur-Derby. Im mit 50.000 Mark dotierten Finale der drei bes-ten Reiterinnen nach Grand Prix und Grand Prix Special setzte sie sich gegen die Team-Europameis-terin Nadine Capellmann aus Aachen und die niederländische Einzel-Europameisterin Anky van Grunsven durch. Ihr Lohn waren 25.000 Mark und ein Goldbarren im Wert von 18.000 Mark.

Die Endrunde wurde mit dem von Isabell Werth ungeliebten Pferdewechsel entschieden. Dabei mussten die Reiterinnen außer mit ihrem eigenen auch mit den Pferden ihrer Konkurrentinnen starten. Isabell Werth verzichtete auf ihr EM-Pferd Antony, mit dem sie am Samstag den Grand Prix Special gewonnen hatte. „Er wird unter anderem bei den Deutschen Meisterschaften in zwei Wochen in Balve starten. Wir müssen mit seinen Kräften haushalten.“ Für das Finale lieh sie sich Rio's Chalston von Bianca Kasselmann aus. Bestes Pferd war der zwölf Jahre alte Wal-lach Gere, der unter den drei Reiterinnen 3717 Punkte holte.

Für zwei Springreiter blieb das Derby in schmerzvoller Erinnerung. Der in Westfalen lebende Ägypter Andre Sakakini und der Vorjahressieger Carsten-Otto Nagel aus Wedel zogen sich bei ihren Stürzen am Freitag erhebliche Verletzungen zu. Sakakini wird am Montag an der Schulter operiert. Nagel fällt wegen eines Sehnenrisses in der rechten Hand mehrere Monate aus und kommt damit für die Olympischen Spiele in Sydney endgültig nicht mehr in Frage.

Claas Hennig/Karl Morgenstern