„Mehrheitsmeinung“marschiert

■ 300 Neonazis auf dem Weg durch Wandsbek – 2000 demonstrieren dagegen: „Ein Stück Hamburger Realität“
Von Peter Müller

„Das war eher ein Polizeiaufmarsch als ein Aufmarsch von uns freien Nationalisten“, konstatierte gestern Abend Jürgen Gerg von den „Jungen Nationaldemokraten“, der genau diesen Aufmarsch angemeldet hatte.

Dennoch: Im Schutz von 2000 PolizistInnen konnten rund 300 Neonazis, hinter denen das „Aktionsbüro Norddeutschland“ steht, aufmarschieren und auf ihrem Weg durch Wandsbek für die „Räumung der Roten Flora“ und gegen die „Kumpanei von Staat und Antifa“ eintreten. Die Polizei schirmte sie gegen die 2000 GegendemonstrantInnen des antifaschistischen Ak-tionsbündnisses ab, die ebenfalls in Wandsbek auf der Straße waren.

Der Aufmarsch der Neonazis hatte sich lange verzögert, weil eine Gruppe Rechter – um Fahrzeugkontrollen zu umgehen – nach Ohlsdorf ausgewichen war. Als sich dann gegen 16 Uhr der Zug in Bewegung setzte, mussten Polizis-ten zunächst einige ProtestlerInnen – unter ihnen auch der GAL–Bürgerschaftsabgeordnete Mahmut Erdem – beiseite tragen.

Wasserwerfer fuhren in den Seitenstraßen auf. Ein Heer von Weißhelmen ging neben den Neonazis durch den Stadtteil. Trotzdem gelang es vereinzelten ProtestlerInnen, an die Faschos heranzuzkommen und „Nazis raus“ zu skandieren. Die Rechten reagierten mit Sprechchören wie „Antifa, ha, ha, ha“, und „Kampf, Aktion, Widerstand – Rote raus aus unserem Land“.

In ihren platt-populistischen Reden zogen die Ex-Chefs der verbotenen Nationalen Liste und Aktivisten des „Aktionsbüros Norddeutschland“, Thomas „Steiner“ Wullf und Chrtistian Worch über den rot-grünen Senat her: Dieser ließe die „Brutstätte linksradikalen Terrors“ unangetastet, so dass ganze „linksautonome Wohnviertel“ entstünden. „Obwohl wir die Mehrheitsmeinung der Hamburger auf die Straße tragen“, so Worch, sei die Demo in der City verboten worden, während die Antifa-Gegendemo in Wandsbek problemlos erlaubt worden sei.

Die Innenstadtroute war den Neonazis von der Innenbehörde unter Hinweis auf den Katholikentag verboten worden. Eine Klage dagegen war am Freitag vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert. Den Gang zum Bundesverfassungsgericht hatten Worch und Co. gescheut.

Auf der antifaschistischen Gegenkundgebung – zu der am Morgen neben Regenbogen-Gruppe und Jusos die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund aufgerufen hatten – setzte sich Ernst Heilmann, Betriebsrat des Axel Springer Verlages, für ein gemeinsames konsequentes Handeln aller Demokraten gegen Neonazigruppen ein. „Wir haben kein Verständnnis dafür“, so Heimann, dass der rot-grüne Senat Aufmärsche von Gruppen, die Mord und Totschlag propagieren nicht verbiete. „Neonazi-Aufmärsche sind in Hamburg zur Realität geworden.“