Wenn kein Wurf gelingt

Berlin Thunder verpasst im American Football die World Bowl nach Niederlage gegen Barcelona, und die Mannschaftsführung stellt fest: Man braucht mehr „Fun“ um zu gewinnen, sonst geht nichts

von MARKUS VÖLKER

7.932. Diese Zahl musste Michael Lang erklären. Nur 7.932. So viel Zuschauer kamen zum Spiel von Berlin Thunder gegen die Dragons aus Barcelona in den Jahn-Sportpark. Obwohl ein Sommerhoch über der Stadt lag und keine Konkurrenzveranstaltungen liefen. Kein Fußball von Hertha, der 50.000 Leute binden würde. Keine Korbwürfe von Alba, die in der angrenzenden Max-Schmeling-Halle ihrer Beschäftigung nachgehen. Nur ein paar Fahrer schwangen sich im Stadtteil Mariendorf in den Sulki. Das war’s auch schon. Was also ist los mit dem jüngsten Sproß der NFL Europe, den Berlin Thunder?

„Es wäre mal interessant zu sehen“, sagte Lang, „wie es für uns gelaufen wäre, wenn wir nicht im ersten Spiel jedes Mal gemetzelt werden.“ Lang, General Manager der Hauptstädter, hat noch den schlechten Saisonstart 1999 in Erinnerung und auch in diese Saison startete man mit einer deftigen Niederlage gegen den Inhaber der World Bowl, die Frankfurt Galaxy. Damals stürmte und donnerte es heftig. Nur Petrus schien ein treuer Anhänger zu sein. Während in Frankfurt bei den Rhein Fire bis zu 40.000 Fans ins Stadion gehen, hat Thunder in der Millionenstadt Berlin Probleme mit dem Zuschauerzuspruch.

Im ersten Jahr wurde der angestrebte Schnitt um 20 Prozent unterschritten, nach dem Spiel gegen Barcelona droht ein weiteres Absinken der Quote. Denn in den World Bowl, das Finale der NFL Europe, kann Thunder nach der 9:22-Niederlage gegen die Spanier nicht mehr einziehen

Das veranlasste Manager Lang, seinem Unmut mit Worten Luft zu machen, die im Fernsehen mit einem Piepton überspielt werden. „Ich bin verdammt sauer“, bekundete er. Anlass gaben ihm die Spieler genug. Kaum ein Spielzug, bei dem nicht die gelbe Flagge von den Referees auf den Rasen geworfen wurde, um anzuzeigen, dass ein Foul passiert war. Kaum ein Wurf, der sicher gefangen wurde. Turnovers, Fumbles und Quarterback-Sacks häuften sich.

Selbst der Sieger der Partie musste sich vier Turnovers in die Statistik schreiben lassen. „Normalerweise verlierst du bei so einer Zahl das Match“, sagte Jack Bicknell, Coach der Dragons. Sein Kollege, Peter Vaas, sagte zum mediokren Treiben seiner Schützlinge: „Zum ersten Mal stand ein Team auf dem Platz, das nicht bereit war.“ Seiner Mannschaft habe es an Konzentration und Siegeswillen gemangelt: „Es war nicht genug Emotion im Spiel. Dafür übernehme ich die Verantwortung.“

Einigermaßen ratlos ob der Leistung war Lang. Seine „Baustelle“, wie er vorgab, sei es, dafür zu sorgen, dass die „Fan-Base“ Spaß habe. „Die sollen alle Fun haben, und wenn sie den haben, kommen sie alle wieder.“ Zur Unterhaltung durfte diesmal Udo Lindenberg ran, der mitteilte, dass die Stimmung im Oval sehr geil sei; „Späßchen, keine Hools hier und so, sehr schön.“ Vor den Footballern aber versagen Langs Fähigkeiten. Er könne ihnen nur tief in die Augen schauen und hoffen, dass sie das Ding machen. „Ich bin kein Dieter Hoeneß. Wenn der einen Spieler holt, dann kann er das, weil er selbst einer war.“

Nach Berlin delegiert ins Traningscamp NFL Europe wurde zum Beispiel der Verteidigungsspieler Tony Berti. Der 27-Jährige ist der erfahrenste Footballer, der je auf den Alten Kontinent kam, um sich für die Hauptfiliale in Übersee wieder interessant zu machen. 30 Mal spielte Berti, 136 Kilogramm schwer, bei den San Diego Chargers, bevor ihn eine Verletzung zurückwarf. Comeback-Versuche bei den Seattle Seahawks und den Denver Broncos scheiterten. Nun sagt er: „Es ist hart, hier 10 Wochen zu sein, auch für meine Frau und meinen Sohn.“ Er sammele Matchpraxis, um in die NFL zurückzukehren, er brauche Spiele, denn: „Mein Gehirn funktioniert noch, da ist noch alles drin, woran ich mich erinnern kann.“

Auffälligster Berliner am Samstagabend war Running Back Brian Shay, dem der einzige Thunder-Touchdown gelang. Auch er sagte, dass er sehr von Heimweh geplagt sei. Er ist sogar fünf Monate in Europa, wo er festgestellt hat, dass Football dort angekommen ist, wo Soccer vor zwei Jahren in den USA war und die Spieler im Vergleich zur Heimat nicht ganz so stark und schnell sind. „Du kannst nicht erwarten, dass eine Sportart in Europa funktioniert, wenn sie keiner richtig kennt“, erläuterte er. „Wie Cricket zum Beispiel.“

Der Vergleich war dann doch etwas missglückt, wird Euro-Football doch von der finanzstärksten Profiliga der Welt protegiert, die nach weiteren Märkten in Polen, Italien oder Frankreich lugt. In Berlin will man am Konzept festhalten und kontinuierlich weiterarbeiten. „Viel, viel Geduld“ will Manager Lang aufbringen und nicht nach Entschuldigungen für die magere Kulisse suchen, weil das „scheißfeig“ wäre. „Ich bin so ein sturer Hund, ich werde so lange arbeiten, bis das Ding voll ist.“ Thunder liebäugelt übrigens mit einem Umzug ins Olympiastadion und da passen 76.000 rein.