Noch ein Tod in Eberswalde

Trauermarsch nach Tod eines Angehörigen der linken Szene im brandenburgischen Eberswalde. Täter streitet Tötungsvorsatz und rechtsextremen Hintergrund ab

EBERSWALDE taz ■ Rund 400 Menschen haben am Samstag im brandenburgischen Eberswalde gegen rechtsradikale Gewalt demonstriert. Sie wollten damit an den Tod des 22-jährigen Falko L. erinnern. Der Angehörige der linken Szene war am vergangenen Mittwoch von dem 27-jährigen Mike B. vor ein fahrendes Taxi gestoßen worden und noch am selben Tag im Krankenhaus an einem Lungenriss gestorben.

Bei dem Täter, der am Freitag festgenommen wurde, handelt es sich nach Angaben der Gruppe „Autonome Antifa Eberswalde“ um einen „stadtbekannten Rechtsradikalen“. Die Leiterin der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Annetta Kahane, dagegen schätzt B. „nicht als rechten Rädelsführer“, sondern als „Randfigur der rechten Szene“ ein. Sie würde den Vorfall „nicht auf die politische Ebene heben“, sagte Kahane. Sowohl das Opfer als auch der Täter seien wegen Körperverletzung bereits vorbestraft gewesen.

Der Antifa-Sprecher berief sich bei seiner Einschätzung auf einen ihm bekannten Augenzeugen, der am Wochenende noch anonym bleiben wollte. Dieser habe den Beginn der Auseinandersetzung mitverfolgt. Auslöser des Streits, der gegen 21 Uhr in einem Linienbus ausgebrochen war, sei demnach ein rechtes Tattoo-Motiv am Arm von Mike B. gewesen. Nach Verlassen des Busses habe B. den bereits durch mehrere Schläge erheblich verletzten Falko L. vor ein vorbeifahrendes Taxi gestoßen. Der Zeuge wolle seine Beobachtungen heute der Polizei mitteilen.

Mike B. hat die Tat bereits gestanden, streitet aber nach Darstellung der Polizei einen Tötungsvorsatz und ein politisches Motiv ab. Die Polizeipräsidentin Uta Leichsenring sagte, Mike B. sei bereits in der Vergangenheit durch Delikte wie gefährliche Körperverletzung und Diebstahl aufgefallen. Als Rechtsextremist sei er dagegen bisher nicht polizeilich bekannt. Die Behörde ermittelt wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Zu dem Protestmarsch waren Linke aus Berlin, Magdeburg, Leipzig und Dresden angereist. Nach Abschluss der Veranstaltung zogen etwa 50 Personen in einen Stadtteil, in dem sich nach Hinweisen der Veranstalter zu diesem Zeitpunkt eine Gruppe von Rechten aufhielt. Dort zerstörten die Demonstranten nach Polizeiangaben mehrere Fenster- und Autoscheiben und bewarfen die anrückende Polizei mit Flaschen. Ein Beamter wurde dabei verletzt. Die Polizei nahm 19 Personen vorübergehend fest.

Eberswalde gilt als ein Schwerpunkt rechtsradikaler Gewalt. Zuletzt verübten Unbekannte im März einen Brandanschlag auf die Räume des Afrikanischen Kulturzentrums „Palanca e. V.“. Sollten sich die Vermutungen der Demonstranten bestätigen, wäre Falko L. bereits der zweite Mensch, den rechtsradikale Gewalt in Eberswalde seit der Wiedervereinigung das Leben gekostet hat. Vor knapp zehn Jahren, am 25. November 1990, hatten zehn Neonazis den Angolaner Antonio Amadeu Kiowa totgeschlagen – nur wenige Minuten von der Bushaltestelle entfernt, an der jetzt Falko L. die tödlichen Verletzungen zugefügt wurden.A. SPANNBAUER/M. THIEME