Glanz und Elend des Belcanto

■ Das Bremerhavener Theater hat jetzt Bellinis selten gespielte Oper „I Puritani“ in der Carl-Schurz-Kaserne aufgeführt

Das war ein verlockender Termin: „I Puritani“ von Vincenzo Bellini in Bremerhaven. Das 1835 entstandene Werk ist eine der großen italienischen Belcanto-Opern. Heute ist sie nahezu vergessen, weil die SängerInnen rar geworden sind, die die überdimensionalen Anforderungen noch erfüllen können. Und nur vom Gesang lebt diese Literatur, nicht von der oft plakativen Partitur und von der schwachen, nur so von Unwahrscheinlichkeiten strotzenden Dramaturgie. Erzählt wird die diffuse historische Geschichte aus dem britischen Bürgerkrieg zwischen den königstreuen Stuarts und den reformatorischen Puritanern. Noch größer werden freilich diese gesanglichen Anforderungen, wenn wie hier in einer konzertanten Aufführung die helfende Inszenierung fehlt.

Vor der im selben Jahr uraufgeführten „Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti, für die sie das Modell geliefert hat, ist Bellinis Elvira eine Frau, deren Wahnsinn aus Liebe den Komponisten zu seinem Werk inspiriert hat. Vergessen wir den dramaturgischen Schwachsinn, mit dem Elvira mal so eben wegen eines scheinbaren Liebesverrates ihren Verstand verliert und dann ebenso schnell auf das Wort „Tod“ wiedergewinnt, und halten wir uns an den Gesang der jungen koreanischen Sängerin Eun-Joo Park.

Sie kehrte aus Dortmund an die Stätte ihres ersten Engagements zurück, und es braucht nicht viel, ihr eine große Karriere zu prophezeien. Mit jeder Note spielte sie ohne Bühne ihre Rolle, lotete mit einem unglaublichen Reichtum an Klangfarben und Pianoschattierungen die vielen Facetten von Elviras verwirrter und gleichzeitig klarer Gefühlswelt aus. Damit blieb sie in dieser Aufführung eine einsame Außenseiterin, denn genau das schafften alle anderen Sänger nicht. Tom Allen gab sich als ihr Geliebter Arturo redlich Mühe mit seinem schweren, hochliegenden Tenorpart, blieb aber an flexibler Stimmführung und tonlicher Charakterisierung einiges schuldig. Die beiden tiefen Stimmen, der Bass Sir Giorgios und der Bariton Sir Ricardos, glitten vollends in die konzertante Pflichterfüllung ab. Da strahlte nichts, da kam reichlich wenig vom faszinierenden Charisma belcantistischer Vokalität (Benno Remling und Oskar Quezada).

Nicht unproblematisch auch die ganze Präsentation: weit auseinander gerissen das Orchester, für Leo Plettner in der grausam trockenen Akustik der Carl Schurz-Kaserne kaum noch klangschön zusammenführbar und schon mal gar nicht überführbar in Bellinis Welten des Klangrausches, deren Verhältnis von Stimmen und Orchester Richard Wagner immerhin „einfach grandios“ genannt hat. Die ganze orchestrale Wiedergabe wirkte trotz einiger schöner Momente so, als habe man es ohnehin aufgegeben, hier eine runde Atmosphäre zu schaffen. Und: Das Orchester aus dem Graben zu holen, verlangt Konsequenzen des gesamten Verhaltens. Leider sieht man hier die kleinste beamtete Lustlosigkeit und hört sie dann auch. Sehr schön sang der hinten stehende Chor. Die Bremerhavener waren begeistert, zumindest mit Eun-Joo Park waren sie einer Sternstunde des italienischen Gesanges begegnet. Allein dafür hat sich der fragwürdige Abend gelohnt.

Ute Schalz-Laurenze

Aufführungen: 6., 8., 14 und 16. Juni um 20 Uhr, 11. Juni um 15 Uhr, 18. und 24. Juni um 19.30 Uhr; Karten unter Tel.: 0471/49001