Sinnsuche mit dem Holzhammer

■ Die Vorschau: Der Hamburger Autor Stefan Beuse liest heute aus seinem Roman „Kometen“. Die taz sprach vorab mit ihm bei Kaffee und Blechkuchen

Hamburg, Innenstadt. Ich treffe Stefan Beuse, 67er Jahrgang, vor einer großen Buchhandlung in der Fußgängerzone. Wo man hier gut sitzen könne, in Ruhe reden? Das wisse er auch nicht so genau. Mit Stadtführung wird's also nichts heute. In Ordnung. Schließlich schreibt Beuse Geschichten und keine Reiseführer. Wir gehen in Richtung Alster und reden darüber, wie blöd es ist, ein Porträt mit der Beschreibung der Lokalität zu beginnen. Alsterpavillion. Das bedient unser Klischeebedürfnis ausreichend. Wir bestellen Kaffee und „Blechkuchen“ im Self-Service-Bereich.

Wenn man mit dem Zug nach Hamburg hineinfährt, sieht man eine Graffiti-Serie. Und ist versucht, eine Botschaft hineinzulesen. Würden die Figuren in Beuses erstem Roman, „Kometen“, das nicht auch tun? Schließlich suchen sie pausenlos nach dem großen Plan, der all die zufälligen Informationen verbindet. „Nicht nur die, auch die Lesenden müssen sich darauf einlassen. Wenn's funktioniert, werden sie in die Suche hineingezogen.“ Der Autor als Mastermind? „Das ist organisch gewachsen. Ich hatte anfänglich überhaupt keine Ahnung, dass das herauskomen würde.“ Geht denn das, diese Zufälligkeit in einem Text, der gesättigt ist mit Symbolen und Metaphern? „Bei jedem Durchlesen habe ich gemerkt, dass es starke Metaphernketten gibt. Und ich habe mich selbst drüber gewundert, wie die miteinander verzahnt sind. Es sind sehr plakative, fast biblische Symbole, ohne dass ich mir dessen bewusst war. Ich verfolge insgesamt einen fast übergroßen Plan. Allerdings versuche ich, den immer im Hintergrund zu halten. Im Nachhinein bin ich manchmal erschrocken, wie holzhammermäßig er zu Tage tritt. Und ich bilde mir ein, ich würde subtile Literatur machen. In dem Moment wo die Figuren das aussprechen, wird alles von einer ironischen Patina überzogen.“

Es sind genug Sicherungen eingebaut in „Kometen“. So fährt Martin, eine der zahlreichen Figuren, im Auto durch die Gegend und macht sich über eben jene Kometenmetapher Gedanken, die das ganze Buch zusammenhält. Das Personal läuft sich dauernd über den Weg oder bekommt per e-mail merkwürdige Fragen gestellt. Der Clou ist, dass jede(r) die Informationen in die eigene Biografie einbaut, die als eine Art Sinngebungsmaschine funktioniert.

Es geht ums Aneinandervorbeireden. „Da steckt die ganz banale Philosophie dahinter, dass sich das Allergrößte im Allerkleinsten spiegelt, diese uralte Goethesache.“ Verpackt allerdings im postmodernen Erzählgewand, wo Szenerien und Handlungsebenen ständig wechseln.

Früher hat Beuse oft auf Slams gelesen, in Hamburg, das eine lebhafte Szene hatte. Gibt's die noch? Eher nicht, erzählt Beuse, aber er habe sich dort nie so richtig heimisch gefühlt. Gleichwohl war es eine Möglichkeit, direkte Reaktionen zu erleben. Nur, die Geschichten seien oft zu sehr auf simples Erzählen reduziert worden. Er selbst habe immer schon mehr in seinen Texten gesehen als allein das (gewiss zu Recht) hochgelobte Beobachten des Alltäglichen. In der Tat greift das nicht nur bei „Kometen“ zu kurz. Auch in der Geschichtensammlung „Wir schießen Gummibänder zu den Sternen“ von 1998 kann man viel mehr finden. Wenn man will. Tim Schomacker

Lesung heute um 20 Uhr in der Stadtwaage, Langenstrasse 13