Ein Jahr Koalitions-Neuauflage

 ■ Bilanz: farblos

Erheben wir uns zu einer Schweigeminute: Heute vor einem Jahr, am 6. Juni 1999, entschieden die BremerInnen an den Wahlurnen, dass sie eine Neuauflage der Elefantenhochzeit in der Bürgerschaft haben wollen. Ein eigenes Gesicht bewahren wollten SPD und CDU am Anfang der Legislaturperiode. Blass aber sind beide geblieben. Geändert hat sich nicht viel.

Denjenigen, die Gestaltung durch Politik einfordern, wird weinerlich entgegengeschleudert: Wir sind die Verwalter der finanzpolitischen Misere. Doch Buchhalter eignen sich nicht für Politik. Senatssitzungen dauern inzwischen durchschnittlich 20 Minuten, Diskussionen finden, wenn überhaupt, in der vorbereitenden Sitzung der Staatsräte statt. Bürgerschaftssitzungen sind elend langweilig geworden – nur die Grünen sorgen routiniert für ein bisschen Farbe.

Vorsichtig versuchen jetzt die sonst eher lammfrommen Bürgerschafts-Fraktionen, aus den Schatten ihrer Väter – in der SPD Henning Scherf, in der CDU Bernd Neumann – zu treten. CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff stänkert gegen seinen CDU-Innensenator Bernt Schulte, wo er kann. SPD-Chef Jens Böhrnsen erklärt gegen den Willen von Scherf und von Umweltsenatorin Tine Wischer den Ausstieg aus dem Rhodarium-Projekt. Doch noch bleiben die Väter übermächtig.

Am deutlichsten zeigt sich das daran, dass es in Bremen immer mehr Tabu-Themen gibt: Man tut so, als ob Gerichtsbeschlüsse zum Länderfinanzausgleich keine Konsequenzen für Bremen haben, statt sich Gedanken über das Ende des Bundeslandes zu machen. Die Koalition verantwortet den Sanierungsweg mit unzähligen Schattenhaushalten – auf Kosten zukünftiger Generationen. Zweifel an so manchem Großprojekt werden totgeschwiegen – für ein bürgernahes, soziales Bremen aber wird das Geld knapp. Solche Diskussionen finden höchstens in Galerien statt, nicht aber da, wo sie hingehören: im Plenarsaal. Christoph Dowe

siehe auch Interviews Seiten 22, 24