Erzwungener Abschied vom Größenwahn

Die Bahn will bei ihren Projekten in der Hauptstadt zwei Milliarden Mark sparen. Bahnhof Papestraße ist so gut wie tot

Die Bahn tritt auf die Notbremse. Zwei Milliarden Mark fehlen – und ihre Investitionen in der Hauptstadt stehen ganz oben auf der Streichliste. Auf dem Prüfstand stünden alle Projekte, bei denen der Bau nicht schon begonnen habe, erklärte Michael Baufeld, der Sprecher des DB-Projekts „Knoten Berlin“, das die Milliardenvorhaben steuert. Am stärksten gefährdet ist der Bahnhof Papestraße. Er sollte im Schienenverkehrsplan für die Hauptstadt, dem „Pilzkonzept“, als Haupttor nach Süden dienen. Mehr als 600 Millionen sollten hier verbaut werden.

Der Verkehrsexperte der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, Albert Schmidt, sagte, im Aufsichtsrat der Bahn, dem er angehört, sei man sich im Grundsatz einig, das Projekt abzuspecken. Der Bahnhof soll demnach im Wesentlichen nur noch eine „normale Haltestelle“ werden – fraglich sei gar, ob es dort überhaupt noch Ferngleise geben sollte. Dagegen wehrt sich die Stadt heftig. Die Sprecherin der Berliner Verkehrsverwaltung, Petra Reetz, betonte, ohne Fernbahngleise wäre das ganze „Pilzkonzept“ am Ende.

In den Sternen steht auch die Sanierung des völlig heruntergekommenen S-Bahnhofs Ostkreuz. Der rostet schon seit 30 Jahren vor sich hin. Richtig hart aber trifft die Stadt die Überlegung der DB, auf die „Dresdner Bahn“ zu verzichten. Denn damit wäre auch der geplante Großflughafen in Schönefeld nicht mehr so schnell vom Zentrum aus zu erreichen – das aber war das Hauptargument für die Strecke. „Unverzichtbar“, so Reetz, sei die „Dresdner“. Entscheidend sei jedoch, dass trotz aller Kürzungen der Verkehr weiter rollen könne wie geplant.

Der „Knackpunkt“ dabei ist für die Bahn nach Aussage des „Knoten“-Sprechers Baufeld der zentrale Lehrter Bahnhof, unweit des Regierungsviertels. Hier werden derzeit etwa eine Milliarde Mark verbaut. Ursprünglich sollte ein viergleisiger Nord-Süd-Tunnel unter dem Tiergarten zu diesem Bahnhof führen. Jetzt erwägt die Bahn Baufeld zufolge, lediglich zwei Gleise fertig zu stellen. Zwei Röhren stünden dann nur als Rohbau zur Verfügung – für einen möglichen späteren Ausbau bei besserer Finanzlage. Spätestens Anfang 2006 soll in Nord-Süd-Richtung der Verkehr fließen, so Baufeld.

Mit moderner Signaltechnik, rechnet Schmidt vor, könnten wahrscheinlich auch auf zwei Gleisen pro Tag bis zu 400 Züge zum Bahnhof rollen. Der grüne Verkehrsexperte bezweifelt zwar, dass durch die Streichorgie tatsächlich zwei Milliarden Mark zusammenkommen. Das Abspecken gebe aber auch die Chance, sich vom „Größenwahn“ der Nachwendezeit zu verabschieden, meint Schmidt. Viele Berliner Projekte seien von Anfang an „unrealistisch“ gewesen. Spätestens bei der nächsten DB-Aufsichtsratssitzung im Juli werde die Entscheidung fallen, wo genau gekürzt werde.

PHILIPP GESSLER