Recherche als Waffe

Ausweitung der Kampfzone: Der „Spiegel“ enthüllt „Focus“-Unsitten, die „SZ“ greift das Thema dankbar auf

Wie der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, soll der frühere Focus-Redakteur Graf Marian von Korff journalistische mit privaten Geschäften verquickt und damit gegen Standesregeln verstoßen haben. Nachdem schon der Chefredakteur des Focus-Finanzablegers Focus Money, Manfred Schumacher, wegen ähnlicher Vorwürfe seinen Hut nehmen musste, ist dies bereits der zweite ruchbar gewordene Vorfall dieser Art im Hause Burda.

Marian von Korff, der bereits 1999 die Redaktion verlassen hat, soll im großen Stil Aktien verkauft haben, die zuvor im Focus als besonders lukrativ vorgestellt wurden. Vom Online-Aktionshaus ricardo.de über den Buchhändler buecher.de bis zur Filmrechtefirma EM-TV soll sich der Finanzredakteur auf prosperierende Neugründungen konzentriert und diesen im Focus freundliche Promotion verschafft haben.

Focus-Chefredakteur Helmut Markwort soll über die Praktiken seines Redakteurs nicht nur informiert, sondern auch erfreut gewesen sein. Die Finanzredakteure hätten das volle Vertrauen der Redaktion und würden „ganz einfach wohlhabend wirken“, heißt es in einem seiner Focus-Editorials.

Die Süddeutsche Zeitung nahm sich in ihrer gestrigen Ausgabe der Angelegenheit an und kolportierte gewissenhaft die Spiegel-Enthüllungen, ohne nennenswert Neues hinzuzufügen – mit dem Focus aber hat man bei der SZ noch eine Rechnung offen, nachdem das Nachrichtenmagazin im Mai über die gefälschten Interviews von Tom Kummer beim SZ-Magazin berichtet und die Zeitung damit in eine beispiellose Glaubwürdigkeitskrise gestürzt hatte.

Die gegenwärtige Diskussion um ethische Prinzipien in der Presse verliert nicht an Momentum: Jetzt geht es, im Gegenteil, um die Deutungshoheit über die Grenzen des Journalismus. Hier „Konzeptkunst“ à la Kummer, dort Finanzredakteure, die den Boom leben. Während Helmut Markwort zur Welt am Sonntag über mediale Redlichkeit spricht, stehen im Spiegel bereits neue Enthüllungen, die SZ tritt montags nach. Im Kampf um Ethos und Auflage haben die konkurrierenden Krähen nun begonnen, einander die Augen auszuhacken. ARNO FRANK