Die Regierung langfristig im Griff

Frankreich will mit dem Pipelineprojekt vor allem seinen starken Einfluss in der Region stabilisieren

BERLIN taz ■ Kein Mensch wäre je auf die Idee gekommen, in den entlegenen Savannen des Tschad nach Öl zu suchen, gäbe es nicht gewichtige äußere Interessen an dem Land im Herzen Afrikas. Der Tschad ist Bollwerk der Militärpräsenz Frankreichs in Zentralafrika; Kamerun, über das der Ölexport laufen wird, ist wichtigster französischer Wirtschaftsstandort in der Region.

Die beiden Präsidenten Idriss Déby und Paul Biya verdanken ihre jeweilige Machtergreifung nach Überzeugung ihrer jeweiligen Gegner der Unterstützung des einst staatlichen französischen Ölkonzerns Elf, dessen Aktivitäten in Afrika traditionell vor allem den strategischen Interessen des Mutterlandes Frankreich dienen. Als Déby sich 1990 an der Spitze einer Rebellenarmee an die Macht putschte, holte er in einem seiner ersten Beschlüsse Elf in das multinationale Konsortium, das damals im Süden des Tschad nach Öl suchte.

Während Proteste gegen die Ölsuche in den folgenden Jahren mit Waffengewalt niedergeschlagen wurden, entwickelte sich der Tschad zu einer zentralafrikanischen Regionalmacht, die seit 1996 mit dem Segen von Paris sogar militärisch in die Konflikte der südlichen Nachbarn Zentralafrikanische Republik, Kongo-Brazzaville und Demokratische Republik Kongo eingegriffen hat.

Umso überraschender ist es, dass das Ölprojekt im Tschad jetzt kurz vor seiner Realisierung ohne Frankreich vonstatten geht. Elf zog sich im November 1999 zusammen mit Shell aus dem Förderkonsortium zurück. Die offizielle Begründung: Das Projekt sei nicht rentabel genug, verglichen mit den vielen gigantischen neuentdeckten Ölfeldern im Atlantik vor den Küsten Nigerias, Äquatorial-Guineas, Kongos und Angolas. Der Rückzug verhinderte die eigentlich schon damals anstehende Entscheidung der Weltbank, die nun heute getroffen werden soll, und das gesamte Ölprojekt leidet seitdem unter dem Eindruck ökonomischer Irrationalität.

Elfs Rückzug war auch die erste offene Manifestation einer schwelenden Krise zwischen Déby und Paris. Die tschadische Regierung sprach von einem „Dolchstoß“ und ließ zu, dass 10.000 Demonstranten in der Hauptstadt Ndjamena französische Immobilien angriffen und die Trikolore verbrannten. Im März erklärte der Tschad den französischen Botschafter in Ndjamena „wegen seiner Persönlichkeit und seines Verhaltens“ zur unerwünschten Person.

Frankreich traut Déby schon seit einiger Zeit nicht mehr zu, sein Land zu regieren. Ein Bericht des französischen Parlaments über die Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit dem Tschad beurteilte im Juni 1999 die Situation des Landes extrem pessimistisch und schlug vor, weitere Hilfe von einer Demokratisierung des Landes abhängig zu machen. Anfragen Débys, ob die im Tschad stationierten französischen Soldaten der tschadischen Armee gegen vorrückende Rebellen im Norden des Landes zu Hilfe kommen könnten, lehnte Paris daraufhin ab. Déby verdächtigt Frankreich seitdem, mit den Rebellen zu sympathisieren und wendet sich immer stärker den nördlichen und östlichen Nachbarn Libyen und Sudan zu.

An die Stelle von Elf und Shell sind nun die Petronas aus Malaysia und die US-amerikanische Chevron getreten. Bei dieser Neuzusammensetzung des Förderkonsortiums unter Führung von Exxon erhielt Tschads Regierung eine „Prämie“ von 25 Millionen Dollar, die Präsident Déby nach Angaben der Opposition bei seinen seitherigen Reisen nach Italien und die Türkei für den Kauf von Waffen ausgegeben hat.

Dennoch gilt Frankreich innerhalb der Weltbank weiterhin als Hauptbefürworter des umstrittenen Ölprojekts, während Bedenken vor allem von den USA kommen. Ein Grund ist, dass die geplante Pipeline nach Kamerun immer noch von Interesse ist – sie stabilisiert den kamerunischen Präsidenten Paul Biya und beschäftigt zahlreiche französische Baufirmen. Ein anderer Grund ist, dass man Tschads Öl jetzt trotz Déby will. Das neue französische Schlagwort in der Entwicklungszusammenarbeit heißt „Langfristigkeit“. Damit ist gemeint: Regierungen kommen und gehen, die Länder und ihre Bedeutung bleiben. Anstatt mit dem Ölprojekt die Regierung Tschads zu stabilisieren, erhalten die äußeren Partnerländer wie Frankreich dadurch, dass sie auf die Einhaltung strenger Auflagen im Umweltschutz und der Haushaltsführung des Staates drängen können, ein ständiges Druckmittel gegen die tschadische Regierung, das notfalls auch für die Herbeiführung eines Regimewechsels genutzt werden könnte. DOMINIC JOHNSON