Zukunft strahlt in Nord und Ost

HEW-Bilanz ohne neue Rekordgewinne. Aber mit strategischen Planungen für den Aufstieg zum europäischen Großkonzern  ■ Von Sven-Michael Veit

Heute wird alles anders sein bei den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW). Wenn Vorstands-Chef Manfred Timm um 10 Uhr in der ehrwürdigen Handelskammer die Bilanz des Jahres 99 vorstellt, wird er ausnahmsweise keine Rekordergebnisse vorweisen können. Dafür aber wird Timm eine strahlende Zukunft an die Wand malen, ob mit oder ohne Atomstrom. Denn das ist der einzige Punkt, an dem sich nichts geändert hat: Die Atomausstiegs-Debatte im Bund betrachten die HEW unverändert mit ausgeprägtem Missvergnügen.

Nach taz-Informationen weist der noch vertrauliche Geschäftsbericht 99 erstmals seit sieben Jahren keinen Rekordüberschuss aus. Für 1998 hatte der Konzern mit satten 163 Millionen Mark Gewinn und einer Dividende von 27 Prozent bundesweite Maßstäbe im Verdienen am Atom gesetzt. Zwar konnten die HEW in Strommenge und Umsatz bundesweit „unsere Marktanteile deutlich ausbauen“, so Timm. Der Preisverfall auf dem liberalisierten Strommarkt sorgte jedoch im abgelaufenen Jahr für deutliche Einbußen: Die Gewinnsumme blieb nur knapp im dreistelligen Millionenbereich.

Dennoch gehe die Nummer Sieben unter den deutschen Energieversorgern, wie Timm heute erläutern wird, „im bundesweiten Wettbewerb gut positioniert in das erste Jahr des neuen Jahrtausends“. Und dafür sind vor allem der schwedische Stromkonzern Vattenfall – und die Wettbewerbshüter in der EU-Kommission verantwortlich. Europas sechstgrößter Energiemulti hatte im November der Stadt Hamburg einen 25,1-Prozent-Anteil an den HEW für 1,7 Milliarden Mark abgekauft. Dies sei „der strategische Einstieg auf dem Kontinent“, hatte Vattenfall-Chef Carl-Erik Nyquist seine Expansionsgelüste unumwunden zugegeben, und sich eine Option auf ein weiteres Paket in selber Höhe zum selben Preis bis Ende 2002 gesichert. Alles deutet darauf hin, dass die Stadt zur Sanierung ihrer klammen Kassen auch ihren Resteinfluss auf das ehemals städtische Unternehmen nach Stockholm verkaufen wird.

Jetzt wollen die Schweden zusammen mit ihrer Tochter HEW und der Leipziger NRG die neuen Bundesländer unter Strom setzen. Objekte der Begierde sind die ostdeutsche VEAG, der fünftgrößte Energieversorger der Republik, die Lausitzer Braunkohle AG Laubag sowie mehrere angeschlossene regionale Unternehmen. „Unser strategisches Interesse“, verlautet aus der Chefetage in der City Nord, „sind 100 Prozent“. Etwa zwei Milliarden Mark für das Gesamtpaket wollen HEW und ihre beiden Partner dafür auf den Tisch legen. Ein Schnäppchen geradezu im Vergleich zu dem Preis, den Vattenfall für ein Viertel HEW an die Hansestadt berappen musste.

Dieser Sonderposten ist dem bundesdeutschen Stromopoly zu verdanken. Wegen der bevorstehenden Fusion der Branchenführer Veba und Viag sowie RWE und VEW müssen diese sich, so die Auflage der Brüsseler Kartell-Kommission, von ihren VEAG-Anteilen trennen. Bis Anfang nächsten Jahres hoffen die Hamburger den Aufkauf bewerkstelligt zu haben – und dann wäre Vattenfall-HEW der beherrschende Stromkonzern Nordeuropas und die dritte Kraft in Deutschland.

So sieht die strahlende Zukunft aus, die Manfred Timm meint.