Filets von Kurth`s

von RALPH BOLLMANN

Der Berliner Senat lädt zum Räumungsverkauf. Im Angebot sind Unternehmen und Grundstücke aus den Restbeständen des bankrotten Stadtstaats. „Überall da, wo es möglich ist, wird sich das Land Berlin aus Unternehmensbeteiligungen zurückziehen“, sagte Finanzsenator Peter Kurth (CDU) gestern bei der Vorstellung des Katalogs, der offiziell unter dem verschämten Titel „Beteiligungsbericht“ firmiert.

Wie bei jedem Ausverkauf sind die besten Stücke schon vergeben. Filetstücke wie die Wasser-, Gas- und Stromversorgung sind längst teilprivatisiert. Dafür hatte Fachverkäuferin Annette Fugmann-Heesing (SPD) gesorgt, von der Kurth den Fleischerladen im Vorjahr übernahm. Freilich liefen Fugmann-Heesings Geschäfte am Schluss reichlich schleppend. Eine Veganertruppe, die sich mit dem Namen „Traditions-Sozis“ tarnte, demolierte mehr als einmal die Fensterscheiben. Vor allem vor dem Verzehr der Wohnungsbaufilets warnten die Aktivisten. Als auch noch einige christdemokratische Fleischverächter während des Wahljahres Stinkbomben in den Verkaufsraum schleuderten, war es mit dem Schlachten vorerst vorbei. Auf den Bekennerschreiben der Gruppe, die unter dem Decknamen „100 Prozent Berlin“ operierte, fanden sich vage Bekenntnisse zur sozialen Gerechtigkeit.

Noch immer hält sich hartnäckig das Gerücht, dass auch der neue Ladenbesitzer dieser Gruppe angehört. Trotzdem haben die Attacken nicht aufgehört, sie sind höchstens subtiler geworden. Wie auch immer: Seit Kurth den Laden führt, ist kein Würstchen mehr vor dem Ausverkauf sicher. Es gebe in seinem Sortiment keinen Artikel, bei dem er einen Verkauf grundsätzlich ausschließe, ließ er gestern wissen.

Allerdings weiß auch Kurth selbst, dass in seinem Angebot die Ladenhüter überwiegen. Jahrzehntelang war die Fleischerei ringsum eingemauert und daher ohne Frischluftzufuhr. Deshalb ist ein Großteil der Filets nicht nur viel zu fett, sondern auch reichlich angegammelt. Nur wenn die Kunden zu entschlossenen Schnitten bereit sind und viel Abfall in Kauf nehmen, werden sie in jedem Stück vielleicht noch einen gesunden Kern vorfinden, den sie mit Genuss verspeisen können. In den Fällen, wo das auf Dauer ein Zuschussgeschäft ist, sei ein Verkauf „schwer vorstellbar“, räumt der Fachverkäufer ein. In vielen anderen Fällen wird Kurth bei den Preisen Kompromisse machen müssen.

Ein harter Konflikt mit den Senatsveganern steht ihm allerdings noch bevor. SPD-Hilfsverkäufer Peter Strieder ist zwischen Fisch und Fleisch noch unentschlossen. Er will das Wohnungsbaufilet nur verkaufen, wenn Mieter und Beschäftigte weiter davon essen dürfen. Mit einer Einigung zwischen den beiden Fachkräften ist womöglich noch in dieser Woche zu rechnen. Hoffentlich haben die Kontrahenten noch nicht ihr Fleischermesser gewetzt.