american pie
: Ab heute spielen Pacers und Lakers um den NBA-Titel

Reggie Miller liebt seine Feinde

„No verdict was returned“

„Ich liebe die Lakers“, sagt Reggie Miller von den Indiana Pacers vor dem heute beginnenden NBA-Finale gegen Los Angeles. In der vorhergehenden Runde gegen New York hatte sich das noch ganz anders angehört. „Ich hasse die Knicks“, erklärte Miller da freimütig und badete geradezu in den „Reggie sucks, Reggie sucks“-Gesängen, die ihn wie gewohnt im Madison Square Garden begrüßten. Dann schaufelte er in Spiel 6 mit fünf Dreiern binnen sechs Minuten den Knicks endgültig das Grab für diese Saison und trieb auf diese Weise „ein paar Dämonen“ aus. Bislang waren Miller und die Pacers fast immer an den Knicks gescheitert, diesmal zogen sie – erstmals in ihrer Geschichte – ins NBA-Finale ein.

Mit den Los Angeles Lakers existiert eine derartige Rivalität nicht. „Es wird trotzdem leicht sein, sich zu motivieren, sie zu zerstören“, sagt Reggie Miller, und Point Guard Mark Jackson pflichtet bei: „Wenn du so weit gekommen bist, musst du jeden hassen, der dir im Weg steht.“ Also doch.

Viel in dieser Serie wird davon abhängen, wie Reggie Miller zum Zuge kommt. Der 34-Jährige ist nicht nur einer der treffsichersten Akteure, die jemals in der Liga spielten, sondern er gehört auch zu den wenigen Spielern, die in den Play-offs deutlich besser spielen als sonst. In diesem Jahr hat er in den Serien gegen Milwaukee,

Philadelphia und New York 5,7 Punkte pro Spiel mehr erzielt als in der regulären Saison. Auch sonst hat Reggie Miller beeindruckende Karriere-Werte vorzuweisen: 47,9 Prozent Trefferquote aus dem Feld, 40,3 Prozent bei Dreipunktewürfen und stolze 88,1 Prozent von der Freiwurflinie. Und Miller wird noch besser, wenn er das Publikum gegen sich hat. „Ich liebe es, der Feind zu sein“, sagt der wandelnde Heimnachteil. Reggie Miller zu kontrollieren, wird nicht einfach für die Lakers, denn wie kein anderer versteht es der schmächtige Basketballer, sich um von seinen Mitspielern gestellte Blocks herumzuwinden und den Ball aus der Fangbewegung schon wieder zielsicher in den Korb zu werfen, bevor ein Kontrahent die Finger danach recken kann. Vermutlich wird meist Jungstar Kobe Bryant, ein exzellenter Verteidiger, die Aufgabe übernehmen, Miller zu stoppen. Ein pikantes Match-up, denn die beiden hatten im Sommer einige Zeit zusammen trainiert, um jeweils von den Stärken des anderen zu profitieren. „Mein Dribbling ist so gut wie noch nie“, konstatiert Miller Erfolge bei den Lehrstunden mit dem ballgewandten Bryant.

Wenn es den Lakers gelingt, Miller zu stoppen, wird die Stunde von Jalen Rose schlagen, dem einzigen Pacer, der sich seine Wurfmöglichkeiten selbst herausspielen kann. Er wird vermutlich von Glen Rice gedeckt, was Rose einige Möglichkeiten eröffnen dürfte. Das einstige Mitglied der „Fab Five“, jenem Team aus Michigan, das 1993 u. a mit Chris Webber und Juwan Howard das Collegefinale gegen Henrik Rödls Mannschaft aus North Carolina verlor, wurde gerade vor Dirk Nowitzki zum „am meisten verbesserten Spieler“ der NBA gewählt. Rose war in dieser Saison Indianas Topscorer, ein Titel, den vorher zehn Jahre lang Reggie Miller inne hatte, und seine Steigerung war ein maßgeblicher Faktor für das Vordringen der Pacers ins Finale.

Das größte Problem für das Team von Larry Bird wird dort natürlich Shaquille O’Neal sein, der bislang mit Indianas Rik Smits meist anstellte, was er wollte. Anders als die Portland TrailBlazers, die Shaq phasenweise neutralisieren konnten, haben die Pacers kein wirksames Mittel gegen den bulligen Lakers-Center, der nicht noch einmal erleben möchte, was ihm 1995 widerfuhr. Da wurden er und seine Orlando Magic im Finale von den Houston Rockets mit 4:0 hinweggefegt. „Damals hatten wir vorher eine Woche frei, um zu feiern“, erinnert sich der 28-Jährige, diesmal habe er den Kollegen gleich nach dem Sieg in Spiel 7 gegen Portland gesagt: „Der einzige Tag, an dem gefeiert wird, ist heute.“ Nun muss er nur noch hoffen, dass Reggie Miller nicht heiß läuft.

MATTI LIESKE