Ohne richtigen Dreh

Dem Kick im Kino fehlt der Kick: Fußball und Film lieben Mythen, Massenunterhaltung, Spektakel. Aber sie finden nicht zueinander

von CHRISTOPH BERTLING

Der überdimensionale Ball in Großaufnahme, ein Stollenschuh trampelt auf die Leinwand. Die Wucht des Kicks in Nahaufnahme. Das Publikum ist gebannt, ja nahezu fasziniert von dieser Wucht des Schusses. Dann öffnet die Kamera in die Totale. Zehntausende Menschen jubeln von den prall gefüllten Plätzen.

Der Film funktioniert. Er ist richtig gut inszeniert. Nur ist es kein Fußballfilm. Sondern der Streifen „An jedem verdammten Sonntag“, der kunstvoll das amerikanische Massenspektakel American Football auf die Leinwände zaubert. Die Vergötterung des amerikanischsten Sports findet seine kulturelle Behandlung in Kinofilmen. Doch die deutsche Volkssportart Fußball hat nie einen würdigen Platz in den Schauspielhäusern gefunden.

Auch im Fernsehen sind Fußballfilme eher die Ausnahme. „Aber Fußball ist nicht nur eine Art Opium fürs niedere Volk“, betont der Filmhistoriker Ulrich von Berg. Es ist eine Faszination und Massenunterhaltung wie das Kino auch. Dennoch lässt sich festhalten, seit sich vor 100 Jahren die Ersten daran machten, den Dreh für den Kino-Kick zu versuchen: Fußball im Film ist meist wirklich schlimm.

Aber warum kam es zu so einer dauerhaft unglückseligen Liaison von Kino und Fußball? Eine Frage, mit der sich der Filmwissenschaftler Ulrich von Berg seit vielen Jahren beschäftigt. Der Berliner ist Sammler von Fußballfilmen aller Art: Spielfilme, Dokumentarfilme, Kinderfilme, Zeichentrickfilme, etc. Eine Antwort hat er noch immer nicht gefunden. Allerdings arbeitet er derzeit an einem Buch über Fußball im Film, und Auffälligkeiten hat er gesammelt.

Einer seiner gesammelten Filme heißt „Elf rote Jäger“. Er ist aus dem Jahr 1927 und zeigt den Fußballhelden als Mittelstürmer in einem Stummfilm. Um ihn werden die Legenden gestrickt, Liebesgeschichten gesponnen und andere Figuren kreiert. Um das Spiel um den Mittelstürmer herum zu formen, werden oftmals legendäre Spiele benutzt, die in der Totale gezeigt werden. Sobald die Kamera näher an das Spielgeschehen heranfährt, wird auf die gestellten Schauspielerszenen umgeschaltet. Ein übliches Procedere: Solche Übergange sind bei frühen Filmen oft zu sehen. „Die echten Stars sind eigentlich die Cutter“, bemerkt von Berg. Denn wenn diesen die Schnitttechnik gelingt, dann bekommt der Spielfilm seinen individuellen Fluss.

Doch eine kunstvoll angewandte Schnittfolge reicht nicht für Erfolg. Der Sport an sich schafft schon Helden und Mythen. Und ein Fußballfan möchte das Spektakel um seinen Star lieber live sehen, anstatt dass ein Drehbuchautor oder Regisseur über Gewinnen oder Verlieren entscheidet. Auch die einseitige Perspektive eines Athleten genügt den Zuschauern nicht.

Außer Heldengeschichten thematisierten manchmal Krimis das Fußballgeschehen. Zum Beispiel in „The Arsenal Stadion Mystery“ von 1939. Der Film beschäftigt sich mit einem Toten auf dem Fußballplatz, der Arme wurde in der Halbzeit vergiftet. Die Jagd nach dem Täter beginnt. Dieser Film wurde in Großbritannien in der „Wochenschau“ auf den Leinwänden gezeigt.

Der wohl berühmteste Fußballfilm ist „Das große Spiel“ von 1942. Ein Propagandawerk der Nazis, der das Meisterschaftsspiel von Rapid Wien gegen Schalke 04 thematisiert. Als Fußball-Fachberater fungierte Sepp Herberger, und Fritz Walter spielte mit. Bei diesem legendären (und schlecht gedrehten) Film erdachte sich Herberger zwei sechs Meter große Türme hinter dem Tor. Von diesen aus wurden schöne Hintertorszenen gedreht. Doch auch sind die Mängel der üblichen Technik offenkundig. Der eigentliche Drehort ist ein mickriger Bolzplatz, die Ausschnitte in der Totalen kommen aus dem echten Spiel. Der Trick ist zu offenkundig.

Es ist keine glückliche Beziehung zwischen dem Sport und dem Film gewesen. So konstatiert von Berg: „Sport verweigert sich per se jeder dramaturgischen Bearbeitung, ohne Langeweile aufkommen zu lassen.“

Andere sehen es grundsätzlicher, so wie der Filmkenner Andrew Sarries: „Sports are now. Movies are then.“