Wer bitte will noch zur Expo?

Die Weltausstellung in Hannover lockt nur einen Bruchteil der geplanten Besucherschaft. Die ersten 123 Expo-Angestellten sind ihren Job schon wieder los – weitere 400 könnten ihn verlieren. Am Wochenende Krisensitzung des Expo-Vorstandes

aus HannoverJÜRGEN VOGES

Nein – über Besucherzahlen will Expo-Geschäftsführer Reinhard Volk nicht gern reden – lieber über die Stimmung auf dem Weltausstellungsgelände in Hannover: Die sei „sehr gut“, schließlich sei am Montag Michael Schanze aufgetreten, gestern stand Herbert Grönemeyer auf dem Programm und heute sogar Karel Gott. Später im Pressegespräch muss Volk dann doch zugeben, dass der Beginn der Expo „sehr verhalten war“ und die Expo-Gesellschaft „mit den Besucherzahlen vor allem am zweiten, dritten und vierten Tag nicht glücklich“ ist.

Jeweils nur rund 70.000 Besucher pro Tag haben seit vergangenen Freitag den Weg zum 170 Hektar großen Weltausstellungsgelände im Südosten Hannovers gefunden. Vom geplanten Besucherschnitt von 261.000 Besuchern täglich ist die Expo damit weit entfernt – selbst wenn man berücksichtigt, dass der Hauptansturm in den Sommermonaten zu erwarten ist. „Alles was am Anfang verloren geht, ist später nur schwer wieder hereinzuholen“, muss Expo-Geschäftsführer Volk einräumen.

Die Besucherflaute wird allerdings nicht nur am Ende das Defizit der Expo 2000 GmbH in die Höhe treiben – Reinhard Volk glaubt, dass allein vom zweiten bis zum vierten Ausstellungstag schon „10 bis 12 Millionen Mark“ verloren gegangen sind. Die geringe Zahl der Gäste zeigt auch bereits auf dem Expo-Gelände selbst Wirkung: Da trat etwa die bekannte Gruppe BAP vor bloß 200 Zuschauern auf. Da nehmen in den Imbissbuden belegte Brötchen, „Schinken – Käse 6,50 DM“, eine der Lagerzeit entsprechende graue Farbe an. Bei den Verkäufern und Kellnern an Souvenirständen und in den Freiluftkneipen geht bereits die Angst vor Kündigungen um.

Nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden der Expo-Filiale der Zeitarbeitsfirma Adecco haben 123 Mitarbeiter von Souvenirständen ihre Kündigung bereits erhalten. Eine zweite Entlassungsliste mit 400 Namen hatte Fischer am Montag auf dem Tisch. Gestern bemühte sich die Zeitarbeitsfirma allerdings, die rund 4.700 Arbeitskräfte an Firmen auf der Expo ausgeliehen hat, die Zahl der weiteren Kündigungen doch noch unter 400 zu halten. Man verhandle mit der deutsch-amerikanischen Firma „Expo-Souvenirs“ über Arbeitszeitreduzierungen, wolle anstelle von Kündigungen Ganztags- durch Halbtagsarbeit ersetzen, so eine Adecco-Sprecherin.

Dass es dieser Tage nicht völlig leer auf dem Weltausstellungsgelände ist, hat die Expo-GmbH den Schulen zu verdanken. Die Schulklassen, die aus ganz Deutschland einen Ausflug zur Expo machen, stellen seit Montag den Großteil der Besucher. Schülergruppen zahlen allerdings pro Nase nur 29 Mark Eintritt, und jeder Lehrer, der mindestens 20 Zöglinge begleitet, erhält eine Freikarte. Den geplanten Durchschnittserlös von 40 Mark pro Eintrittskarte kann die Expo-Gesellschaft damit zur Zeit sicher nicht erzielen.

Exakte oder gar nach Kartenpreis aufgeschlüsselte Besucherzahlen können oder wollen die Ausstellungsmacher noch nicht veröffentlichen. Die Besucherzahl von 70.000 an den letzten Tagen bezeichnet die Expo GmbH selbst als Schätzung. Genauere Angaben werde man wegen technischer Probleme mit den Kartenlesegeräten erst zum Wochenende machen.

Dann will der Expo-Vorstand auch über Maßnahmen gegen den Besucherschwund beraten. Eine Senkung der Preise für die Eintrittskarten lehnt Geschäftsführer Volk ab. Der IG-Metall-Chef und Expo-Aufsichtsrat Klaus Zwickel hält dagegen 69 Mark für eine Tageskarte im Vorverkauf schlicht für zu teuer für den „normalen Arbeitnehmer“.