Rechts-Anwalt ohne Rechtsanwalt

■ Prozess wegen Volksverhetzung gegen den Hamburger Rechtsextremisten Jürgen Rieger vertagt

Heute trägt er keine Anwaltsrobe, sondern ein graukariertes Jackett. Nicht als Verteidiger eines Neonazis, sondern selbst als Angeklagter steht der Rechtsextremist Jürgen Rieger vor dem Landgericht. Tatvorwurf: Volksverhetzung. Doch verhandelt wird an diesem ersten Prozesstag nicht. Riegers Verteidiger Günther Eisen-ecker läßt das Gericht vergeblich auf warten, bis dieses schließlich den Termin vertagt und dem unentschuldigten Rechtsanwalt die entstandenen Kosten aufbrummt.

Der Vorfall, zu dem die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift schrieb, liegt fast vier Jahre zurück. Am 24. Oktober 1996 verteidigte Rieger den Hamburger Neonazi-Anführer Thomas Wulff, der seinerseits wegen Volksverhetzung angeklagt war: Im rechten Mitteilungsblatt „index“ hatte Wulff über „angebliche“ Massenvernichtung von Juden geschrieben. Rieger beantragte, als Sachverständigen einen Diplom-Chemiker zu vernehmen. Der solle seine These untermauern, dass unter dem Naziregime im 2. Weltkrieg Vergasungen von Menschen in Auschwitz mit Zyklon B „nicht stattgefunden“ hätten.

Für seine revisionistischen Aussagen saß Rieger schon einmal auf der Anklagebank: 1981 hatte er im Verfahren gegen den SS-Sturmbannführer Arpad Wiegand behauptet, dass im Warschauer Ghetto kein Jude verhungert wäre, wenn diese untereinander Solidarität geübt hätten. Dafür wurde er zunächst zu einer Geldstrafe verurteilt – und 1987 vom Bundesgerichtshof wieder freigesprochen, weil er als Verteidiger „unter Wahrnehmung berechtigter Interessen“ für seinen Mandanten gehandelt habe.

Rechtskräftig verurteilt wurde Rieger indes mehrfach für tatkräftige Delikte: 1970 wegen Körperverletzung auf einer Demonstration der rechten „Aktion Widerstand“. 1994 sprach ihn das Hamburger Landgericht wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe in Höhe von 14.400 Mark. Rieger war 1993 in einem mit SS-Runen verzierten Wehrmachtsfahrzeug durch Reinbek kutschiert. Elke Spanner