diepgen und die u5
: Allein in der Kanzlerbahn

Bei der Besichtigung der Stollen der Kanzler-U-Bahn schaute Eberhard Diepgen gestern buchstäblich in die Röhre. Gleiches könnte bald im übertragenen Sinne gelten: Außer dem Regierenden Bürgermeister will niemand mehr etwas von einem baldigen Ausbau der U-Bahn-Linie 5 wissen. Selbst sein Parteifreund und Finanzsenator Peter Kurth möchte lieber den Haushalt konsolidieren und verzichtete wohlweislich darauf, seinen Chef bei der Begehung des Rohbaus am Reichstag zu begleiten.

KOMMENTARvon ANDREAS SPANNBAUER

Im Konflikt um die Kanzlerbahn hat sich der Regierende Bürgermeister mit seiner ebenso freizügigen wie fantasievollen Finanzierungspolitik sichtlich isoliert und unterläuft die Sparbemühungen seiner eigenen Exekutive. Ungewöhnliche Konstellationen sind die Folge. Etwa wenn die PDS – ansonsten von der CDU wegen mangelnder Seriosität in Finanzfragen gescholten – den Senat an seine guten Sparvorsätze erinnern muss. Der Koalitionspartner SPD fürchtet, dass mit dem Bau der Kanzlerbahn die letzten finanziellen Spielräume im sozialen Bereich, etwa bei Investitionen für Krankenhäuser, verloren gehen.

Zu einem Verzicht auf die U 5 aber kann sich der Regierende Bürgermeister allein aus Prestigegründen nicht durchringen. Denn ein Baustopp würde aus der Sicht Diepgens nicht nur bedeuten, dass die bereits investierten 450 Millionen auf Jahre in den Sand gesetzt wären. Die unterirdische Bauruine, über die die Mitglieder des Bundestages tagtäglich hinwegschreiten müssten, wäre noch dazu ein Denkmal der Dummheit, das als letzte große Amtshandlung eines Eberhard Diepgen in die Geschichte eingehen würde.

Also muss der Regierende Bürgermeister das Hauptstadtprojekt U 5 zwangsläufig mit ungedeckten Schecks bezahlen. Doch das will in der Großen Koalition keiner mittragen. Es handelt sich um eine klassische Tragödie mit Eberhard Diepgen in der Hauptrolle: Weil er nicht rechtzeitig eingelenkt hat, ist jetzt jede Entscheidung, die er trifft, die falsche.