Himmlischer Strom vom lieben Gott

„Die Schöpfung bewahren“ – mit diesem Slogan trat die Kirche vor einiger Zeit an die Öffentlichkeit. Langsam tut sich was: Immer mehr Gemeinden zapfen die Sonne an. Vom 100.000-Dächer-Programm sind sie allerdings ausgeschlossen

„Schöpfungsfenster“ nennen die Bürger von Schönau im Schwarzwald ihr Kirchendach, dessen ganze Südseite mit Solarmodulen verkleidet ist. Lange haben sie sich mit dem Denkmalschutz streiten und um Spenden betteln müssen, bis die 23-Kilowatt-Anlage vor einem Jahr eingeweiht werden konnte. Ein Teil des Geldes kam von der Bundesstiftung Umwelt, die mit einem eigenen Projekt Kirchengemeinden fördert, die auf Solarenergie setzen.

Etwa 50 Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von über 200 Kilowatt hat die Stiftung inzwischen gefördert, knapp 100 Anträge sind noch in der Bearbeitung. Ein großer Teil davon ging erst in diesem Jahr ein. Der Zuschuss deckt maximal die Hälfte der Anschaffungskosten, den Rest müssen die Pfarrgemeinden selbst aufbringen. Geld gibt es auch für die Öffentlichkeitsarbeit. Denn der Sinn des Projektes ist es, die Chancen der Kirchen als Multiplikatoren für eine Energiewende zu nutzen. Deshalb werden in der Regel auch nur Demonstrationsanlagen bis zu sechs Kilowatt Leistung gefördert.

Bei ihrem Engagement für die Solarenergie können sich die Gläubigen der beiden großen christlichen Kirchen auf eine Reihe von Bischofsworten und Synodenbeschlüssen berufen. Die evangelische Kirche etwa hat vor zwei Jahren die Regierung öffentlich zum Atomausstieg aufgefordert. Die katholischen Bischöfe haben ihrerseits die Bewahrung der Schöpfung zum festen Bestandteil der Seelsorge erklärt und ihre Gliederungen zu praktischen Umweltaktivitäten aufgerufen. Denn die seien entscheidend für die Glaubwürdigkeit.

„Begonnen hat es damit, dass wir ein neues Mitglied in den Kirchengemeinderat bekamen, das zu Hause eine PV-Anlage hatte“, erzählt Pfarrer Wilhelm Dilger. „Der hat uns dafür erwärmt und uns klar gemacht, dass eine solche Anlage ein Beitrag zur Erhaltung der Schöpfung ist.“ Natürlich habe es in den eigenen Gremien auch kritische Stimmen gegeben, ob denn die Kirche keine anderen Sorgen hätte als Photovoltaik, sagt der Pfarrer. Doch die große Mehrheit habe sich dafür entschieden, 100.000 Mark zu investieren. Die stammten von der Bundesstiftung Umwelt, aus einem Energiesparfonds der Landeskirche und einem zinsgünstigen Kredit. Dessen Raten tilgt die Gemeinde aus der Einspeisevergütung von 99 Pfennig und einem zusätzlichen Entgelt der Elektrizitätswerke Schönau. Draufzahlen müssen die Gläubigen nicht.

Auch die Hamburger Melanchthon-Gemeinde hat eine finanzielle Lösung gefunden, die den Haushalt „ nur in Maßen belastet“, wie Pastor Andreas Zühlke sagt. Ein Drittel der 200.000 Mark für insgesamt 14,7 Kilowatt Kapazität auf den Dächern von Kirche und Gemeindehaus steuerten die Hamburger Elektrizitätswerke (HEW) bei. Zudem zahlt der Versorger eine Vergütung von über einer Mark je Kilowattstunde. Mit den Einnahmen zahlt die Gemeinde den zinslosen 100.000-Mark-Kredit zurück, den der Kirchenkreis Altona gewährt hat. Dass Solarzellen aufs Dach gehören, war für die Kirchengremien keine große Diskussion, sagt Zühlke. „Wir sind seit über zehn Jahren in der Tschernobyl-Arbeit aktiv und haben viele Beziehungen zu Weißrussland. Da wollten wir ein ermutigendes Zeichen setzen.“ Besonders freut sich der Pastor, dass eine andere Altonaer Kirchengemeinde mit einer kleinen Anlage auf dem Turm nachzog. Auch seien zahlreiche Mitglieder der Gemeinde auf den Ökostrom der HEW umgestiegen, zu dem ihre Kirche mit der fünftgrößten Solaranlage Hamburgs einen Anteil beisteuert.

Beide Beispiele zeigen, dass bei solchen Projekten mit spitzem Bleistift gerechnet wird. Verwirklicht werden kann angesichts leerer Kassen nur, was den Haushalt nicht oder kaum belastet. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind die Kirchen vom 100.000-Dächer-Programm ausgeschlossen. Dies ist mit ein Grund, dass die Zuschüsse der Bundesstiftung auf so großes Interesse stoßen. Denn die tatsächlich eingereichten Anträge sind nur die Spitze des Eisbergs. Rund 3.000-mal hat die Bundesstiftung die Antragsunterlagen auf Anfrage verschickt. Hinter jeder Anfrage steckt eine Gemeinde oder eine andere kirchliche Institution, die sich mit ihrer Energieversorgung beschäftigt und daran denkt, vielleicht die Sonne anzuzapfen.

Das Interesse ist ökumenisch. Rund ein Drittel der bisherigen Anträge kommt von katholischen Pfarrgemeinden. Noch vor zwei Jahren hatten deren Bischöfe zugegeben, dass das ökologische Engagement kirchlicher Verbände und Einrichtung innerkirchlich vielfach noch als Vorfeldarbeit angesehen werde, die zwar achtenswert sei, aber nicht zu den eigentlichen kirchlichen Aufgaben gehöre. Schließlich sei die Kirche in den letzten 25 Jahren nicht gerade eine ökologische Wegbereiterin gewesen, gibt Hans Langendörfer, der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, zu bedenken. Das scheint sich langsam zu ändern.

LEO FRÜHSCHÜTZ

Zu besichtigen ist die Anlage auf dem Gemeindehaus der evangelischen Kirche in Rottweil und ihr Stromertrag im Internet unter http://www.ev-kirche-rottweil.de/SolarAnl/solaranl.htm.