Spiele, Medien und Proteste

Mit der Ankunft des olympischen Feuers in Australien beginnt heute der Countdown für die Olympiade in Sydney. Die Anwesenheit von 15.000 Journalisten bei den Spielen verschafft den Anliegen der Aborigines internationale Aufmerksamkeit

aus Sydney SVEN HANSEN

Mit einer Verzögerung des olympischen Fackellaufs wollen heute Ureinwohner in Zentralaustralien auf das Schicksal ihrer Völker aufmerksam machen. Neunundneunzig Tage vor Beginn der Olympiade in Sydney wird das olympische Feuer im australischen Uluru, so der Name der Aborigines für Ayers Rock, eintreffen und die 26.000 Kilometer lange Reise mit 11.000 Fackelträgerinnen durch das ganze Land beginnen.

In Uluru wollen Stammesälteste den Fackellauf für einige Minuten aufhalten und den Läufern symbolisch die Erlaubnis erteilen, das Land der Aborigines vom Volk der Arrernte zu betreten. Damit wollen sie daran erinnern, dass Australien anders als in der bis 1992 gültigen Rechtsprechnung bei Ankunft der britischen Kolonialherren nicht unbewohnt war, sondern den Aborigines gehörte.

Dass der Protest zunächst nur symbolisch ausfällt, ist auf die Organisation des Fackellaufs selbst zurückzuführen. Denn dessen Beginn bei Uluru, dem heiligen Berg der Aborigines, erkennt bereits das Erbe der Ureinwohner an. Auch wird die Fackel als erstes von der Hockeyspielerin Nova Peris-Kneebone getragen. Sie gewann 1996 als erste australische Ureinwohnerin eine Goldmedaillie, 22 Jahre nachdem Aborigines erstmals ins australische Olympiateam aufgenommen wurden.

Während der Olympiade in der zweiten Septemberhälfte dürften die Proteste massiver werden. Allerdings sind Boykottaufrufe inzwischen vom Tisch. Das liegt auch daran, dass beliebte australische Sportler wie die Sprinterin Cathy Freeman selbst Aborigines sind.

Vertreter der Ureinwohner in Sydney wollen sich bisher nicht über ihre Protestpläne äußern. Bekannt wurde bisher nur, dass sie so genannte „Tent Embassies“ beim Olympiagelände in Homebush Bay planen. Diese traditionellen Protestzelte sollen auf die anhaltende Benachteiligung der 380.000 australischen Ureinwohner und ihre Forderungen aufmerksam machen.

„Die Anwesenheit von 15.000 Journalisten aus aller Welt bei der Olympiade in Sydney ist eine Gelegenheit, die sich die Aktivisten der Aborigines nicht entgehen lassen wollen“, meint der Aborigine Gary Ella, der beim olympischen Organisationskomitee für Ureinwohner zuständig ist. „Sie werden die Medien nutzen, um auf ihre soziale Situation aufmerksam zu machen. Die Spiele stören werden sie wohl nicht.“

Auch soziale und politische Gruppen planen Proteste. Kleinere Aktionen gab es bereits beim Besuch des Internationalen Olympischen Komitees im Februar und zum Baubeginn einer großen temporären Beach-Volleyball-Arena am berühmten, aber kleinen Bondi Beach Anfang Mai. Dort ging die Polizei mit einem massiven Aufgebot brutal gegen die Demonstranten vor. „Da haben ganz normale Menschen gegen die Einschränkung ihres öffentlichen Raums protestiert, doch die Polizei hat völlig überreagiert“, meint Dominic Wykanak, Vertreter der Grünen im Bezirksrat von Waverley, wozu Bondi gehört.

Das harte Durchgreifen der Polizei werten Aktivisten in Sydney, wo Proteste eigentlich immer friedlich verlaufen, als Besorgnis erregend. Sie kritisieren, dass die Polizei für die Olympiade Sonderbefugnisse bekommen hat. „Die Behörden reagieren sehr nervös auf die Proteste“, meint Gary Moore von der „Olympic Impact Coalition“.

Im sportbegeisterten Australien ist der Enthusiasmus für die Spiele indes stark abgeflaut. Daran sind vor allem Skandale um den Verkauf von Eintrittskarten schuld. Zwar meinen viele, dass die Begeisterung mit den Spielen wiederkommen wird. Doch laut Moore ist inzwischen auch eine andere Haltung verbreitet. Sie lautet: „Hoffentlich gehen die Spiele schnell vorüber.“