„Den Rest regelt der Markt“

Bärbel Höhn, grüne Umweltministerin, über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen, den Zuschnitt ihres Ressorts und den Parteitag der Grünen in eineinhalb Wochen

taz: Frau Höhn, Sie haben mit Herrn Clement Schwerpunktbereiche getauscht: Der Ministerpräsident ist nun für Raumordnung zuständig, Sie im Gegenzug für den Bereich Eine Welt. Kann Herr Clement zufrieden sein?

Bärbel Höhn: Wir haben die Raumordnung getauscht gegen den Verbraucherschutz, Eine Welt, Stadtentwicklung, Kultur, Sport plus Umwelt und Gesundheit. Damit können wir zufrieden sein.

Der FDP-Politiker Burkhard Hirsch sagte am Abend der Landtagswahl: „Ab heute sind die Grünen keine Regierungspartei mehr. Entweder sie fliegen raus, oder sie hören auf, Grüne zu sein.“ Hat er Recht behalten?

Nein. Die Ergebnisse liegen jetzt auf dem Tisch, die kann Herr Hirsch sich angucken. Wenn er nicht polemisch ist, wird er feststellen können, dass wir eine Menge guter grüner Positionen in diesem Vertrag haben verankern können. Gerade bei den Positionen, die Herr Hirsch früher einmal bei der FDP vertreten hat, sind wir vorangekommen: im Demokratiebereich. Insofern haben wir vielleicht alte liberale Positionen einbringen können – auch ohne Burkhard Hirsch. Das gilt aber auch für viele grüne Positionen. Das sind auch Einzelpositionen, die viele vielleicht nur für Kleinigkeiten halten. Zum Beispiel die Verstärkung des Bleiberechts für schwer traumatisierte Flüchtlinge aus Bosnien. Es gibt sehr viele Punkte in diesem Koalitionsvertrag, die sehr, sehr wichtig sind.

Ein Punkt taucht nicht im Vertrag auf: Garzweiler. Herr Clement sagt, er fände das gut. Sie auch?

Ja. Weil es eine Genehmigung mit hohen Auflagen gegeben hat. Das hat dazu geführt, dass der Unternehmer RWE selber zuständig ist für die Schäden, die mit seinem Projekt verursacht werden. Jetzt muss das Unternehmen entscheiden. Die Landesregierung steht da nicht mehr in der Verpflichtung. Den Rest, da bin ich überzeugt, regelt der Markt.

Die Grünen haben sich für ein im Koalitionsvertrag festgeschriebenes Nachtflugverbot am Köln/Bonner Flughafen eingesetzt. Unlängst erklärten Sie, da stünden EU- und Bundesrecht vor. Sind die Grünen von vorneherein mit unsinnigen Forderungen in die Verhandlungen gegangen?

Nein. Wir müssen, da wir als Landesregierung keine rechtlichen Möglichkeiten haben, auf freiwillige Vereinbarungen und andere Maßnahmen zur Minderung des Lärms setzen. So werden wir einen unabhängigen Beschwerde-Ombudsmann einsetzen, an den sich die Bürgerinnen und Bürger wenden können. Der wird allerdings vom Flughafen bezahlt. Zudem sollen besonders laute Flieger vermehrt in die Tagesrandzonen verfrachtet werden.

Wie werden Sie den Grünen-Parteitag in anderthalb Wochen davon überzeugen, dass er dem Vertrag zustimmt?

Einfach über die Fakten. Gerade bei der Ganztagsbetreuung im Kindergartenbereich, mit der Ermöglichung von Volksbegehren auf Landesebene, durch den Agenda-Prozess Zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen und im öffentlichen Nahverkehr haben wir wichtige grüne Projekte in den Vertrag schreiben können. Ich hoffe auf die Urteilsfähigkeit der Delegierten. Interview: MARCUS MEIER und PASCAL BEUCKER