Von Gurgenstinkern und anderem Essbaren

Frittierte Brennnesseln. Pumpernickel-Pudding. Ei am Spieß. Bubber, Babbeler und Bombeisges. Nein, nicht besoffen, bremisch. Und auch noch typisch bremisch. Allesamt Speisen, die einst zur hiesigen Küche gehörten und die die Edition Temmen nun neu entdeckt hat. Das Buch heißt „Bremen kocht“, und die Nessel-Fritten samt Suppe und Pudding gab's gestern im Gedrängel des Hauptgangs der Thalia-Buchhandlung zwischen Walsers springenden Brunnen und Donna Leons sanft Entschlafenen. Präsentiert von zwei Meistern der haute cuisine: Charly Born und Romeo Delcambre wirken sonst im „Accademia“ und füllten gestern wohlschmeckende Brennnesselsuppe – ganz einfach: Geflügelfond, Sahne und pürierte Pflanzen – in Styropor und flatschten Pumpernickel-Pudding auf Pappe. Letzterer ist eine Art warmer Gewürzkuchen, der sehr nach Weihnachten schmeckt. Lecker.

Viel Fisch, nicht ganz so viel Fleisch und mancherlei Kohl, sei es „classic“ oder „Findorffer Art“, so stellt sich die einheimische Kochkunst in dem Bilderbuch dar. Neben den Rezepten zahlreiche Erläuterungen zu hanseatischen und norddeutschen Eigenheiten sowie zur hiesigen Fauna. Zum Beispiel zum Stinkfisch. Der heißt wirklich so. Weil es ihn früher in so großer Zahl gab, dass sich sein gurkenähnlicher Geruch aus dem Weserwasser über die ganze Stadt legte. Vom Gurkengestinke einmal abgesehen scheint es sich um ein äußerst schmackhaftes Wesen zu handeln, zu dessen angemessenem Verzehr auch gleich ein paar Rezepte daherkommen.

Die Nessels frites aber, die waren höchst eigene Kreation der beiden First-Class-Köche zum gestrigen Menu. Wenn auch nicht ganz fleischfrei. Ein paar Nesselbewohner mussten auch ins Fett. „Es hat Augen“, insistierte ein Testesser bei der intensiven Betrachtung eines Pünktchens auf dem haarigen Grün. Macht nix. Schnell in die Suppe getunkt gilt es als knusprige und eiweißreiche Nahrungsergänzung. Bremer Küche – essbar ist alles.

sgi/Foto: Julia Baier