Bremen bald ohne Visionen

■ Der in der Vergangenheit oft umstrittene Kongress „Visionen menschlicher Zukunft“ findet am Wochenende zum letzten Mal statt. Kongressleiter Frank Siepmann erörtert die Motive, die Esoterik-Tagung einzustellen

Zum letzten Mal findet am Wochenende der vom Bremer Forum-Verlag organisierte Kongress „Visionen menschlicher Zukunft“ statt. Im Gespräch mit der taz erläutert Kongressleiter Frank Siepmann, warum er die in der Vergangenheit wegen ihrer Nähe zur Esoterik umstrittene Veranstaltungsreihe vorerst nicht fortsetzen wird.

taz: Sie haben angekündigt, das Ihr Kongress zum letzten Mal stattfinden wird. Braucht die Welt etwa Ihre Visionen nicht mehr?

Frank Siepmann: Das nun nicht. Wir haben den Kongress sieben Jahre in Folge gemacht und hatten den Eindruck, dass uns eine Auszeit gut tun würde, ehe Abnut-zungserscheinungen und das Einreißen eines wenig förderlichen Trotts dem Projekt seinen Geist geraubt hätten. Das heißt aber nicht, dass wir die dem Kongress zu Grunde liegende Idee eines interdisziplinären Dialogs zu Grabe tragen wollen. Wir werden uns Gedanken über eine Kongressreihe der Zukunft machen, die dem veränderten Rezeptionsverhalten der Besucher Rechnung trägt. Die erwarten nämlich inzwischen von Kongressen über die Möglichkeit des thematischen Austausches hinaus verstärkt konkrete Dienstleistungen.

Das Ende des Visionen-Kongresses hat demnach keine finanziellen Gründe?

Der Kongress hat sich finanziell nie gerechnet. Daraus haben wir nie ein Geheimnis gemacht. Die Erlöse aus unserem Forum-Verlag haben immer als Querfinanzierung dienen müssen. In den letzten beiden Jahren haben wir immerhin keine Verluste mehr gemacht. Aber die finanzielle und personelle Belastung für den Verlag war doch so hoch, dass wir uns nun ein neues Konzept überlegen müssen, bei dem der Kongress sich selbst trägt und die Expansionsbestrebungen unserer Zeitschrift nicht behindert.

Dass der Kongress sich lange Zeit dem Esoterik-Verdacht ausgesetzt sah und von der Publizistin Jutta Ditfurth 1997 mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, er fördere dank der eingeladenen Referenten faschistisches Denken, hat Ihnen nicht geschadet?

Die Ditfurth-Geschichte war ein Sonderfall, der wenig mit dem Kongress und viel mit dem Bestreben von Frau Ditfurth zu tun hatte, Propaganda für ihr damaliges neues Buch zu machen. Der Esoterik-Vorwurf ist zuletzt kaum noch laut geworden. Der Begriff ist bei weitem nicht mehr so negativ besetzt ist wie früher.

Obwohl so manche Kritik an der Esoterikszene nicht zu Unrecht geübt wird ...

Esoterik ist nicht ansteckend. Niemand, der ein Diskussionsforum besucht, muss seinen Kopf an der Garderobe abgeben. Für den Produzenten des Engel-Energie-Ackumulators, der im Ditfurth-Jahr auf der parallel zum Kongress stattfindenen Messe „Natürlich leben“ zu Gast war, konnte ich mich auch nicht erwärmen. Aber das war doch bestenfalls ein Spaß für die ganze Familie und nicht etwa ein Einfallstor für den Faschismus. In der Beurteilung so mancher Tendenz innerhalb der esoterischen Bewegung teile ich sogar Ditfurths Einschätzung. Aber im Gegensatz zu ihr erteile ich keine Redeverbote und plädiere nicht für die Ausgrenzung. Ich bin ganz froh, dass auch dank unseres Kongresses das Urteil über die Esoterik viel differenzierter ausfällt als früher. Sicherlich hat der Kongress dazu beigetragen, esoterisches und spirituelles Denken zu einer größeren Akzeptanz zu verhelfen und diese Ansätze vom Vorurteil zu befreien, sie förderten durchweg anti-emanzipatives Denken.

Diese Erfolgsgeschichte scheint sich bei Ihnen aber nicht niederzuschlagen: Unter den Referenten des kommenden und letzten Kongresses finden sich erheblich weniger bekannte Namen als früher.

Wir haben zuletzt bewusst auf die großen Namen verzichtet, weil deren Honorarforderungen exzessiv sind. Zudem haben wir wegen der EXPO-Eröffnung den Kongress in diesem Jahr erstmals auf Pfingsten vorverlegt. Da aber die bekannten Referenten bis zu drei Jahre im voraus gebucht werden müssen, haben wir einige interessante Leute schlicht nicht mehr verpflichten können.

Wie teuer ist der Kongress?

In diesem Jahr liegt der Etat bei 300.000 Mark. In Zeiten, wo die besonders prominenten Referenten wie Rupert Sheldrake, Ulrich Wickert, Rigoberta Menchú oder Tich Naht Than zu Gast waren, lag der Etat auch mal bei 500.000 Mark.

Fragen: Franco Zotta

Der Kongress wird heute um 18.30 Uhr eröffnet durch Vorträge der Bremer Sozialwissenschaftlerin Annelie Keil und des Mediziners Stanislav Grof. Samstag und Sonntag wechseln sich jeweils ab 8.30 Uhr Meditationen, Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden ab. Referenten sind unter anderem der Mediziner Ellis Huber, der Zen-buddhistische Abt Richard Baker-roshi, der UNESCO-Berater Janis Roze und der Philosoph Rudolf Prinz zur Lippe. Veranstaltungsorte sind das Congress Centrum und das World Trade Center. Am Montag bestreitet die Persönlichkeitstrainerin Vera Birkenbihl zwischen 10 und 14 Uhr im Trade Center eine Sonderveranstaltung über ihr Buch „Stroh im Kopf“. Unter Tel.: 70 52 58 können Termine und Preise erfragt werden. E-Mail: forum.bremen@t-online.de