Theologieprobleme

Gott schaut auf die Wurzel, nicht auf die Blüte. Oder: Pfingsten ist der Heilige Geist unter den christlichen Festen. Ein Besinnungsaufsatz

von FALKO HENNIG

Meine Erinnerungen an das Christentum sind nicht sonderlich toll. Oft gingen mein Vater und ich an der Kirche vorbei, ich fragte ihn, ob er an Gott glaube, und er verneinte. Bei meiner Oma war ich mir nicht sicher, sie war alt, und alte Leute, so dachte ich, glaubten doch an Gott. Das tröstet sie darüber hinweg, dass sie bald sterben müssen. Kirchen waren was für alte Leute, so wie Friedhöfe oder Altersheime. Vor der Kirche hing ein Schaukasten, darin waren öfter kleine Klebearbeiten ausgehängt, die Frau von einer Florena-Seifenpackung und die mahnenden Worte: „Gott schaut auf die Wurzel, nicht auf die Blüte!“, wobei zur Bebilderung dieses Sachverhalts eine Mohrrübe doch die bessere Illustration gewesen wäre.

Wir besuchten jedenfalls nie die Kirche, außer in dem einen Jahr Weihnachten, als meine Mutter zu Hause wohl ungestört sein wollte bei den Festtagsvorbereitungen und bestimmt hatte, dass wir in die Kirche zu gehen hätten. Vielleicht hätte ich es auch noch ertragen, wenn ich nicht am Vortag den ersten Teil von „In 80 Tagen um die Welt“ gesehen hätte, jene Verfilmung mit David Niven. Just zu der Zeit, als wir auf den Kirchenbänken saßen, kam nun der zweite Teil, und von der ganzen Predigt blieb mir nichts in Erinnerung außer diesem alles überwältigenden Gefühl von Langeweile und Ohnmacht angesichts der Unwiederbringlichkeit von „In 80 Tagen um die Welt“. Auf dem Heimweg kämpfte ich mit den Tränen, und auch die Geschenke bei der Bescherung trösteten mich nur unwesentlich.

Auch später habe ich besonders das Beten nicht verstanden, was sollte es denn helfen, bei all dem Unglück auf der Welt, wenn man betete? Schließlich hieß es sogar in den Märchen, dass sie vor so langer Zeit spielten, „in jenen Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat“. Und die waren doch wohl vorbei. Auch als Prosa fand ich die Bibel nicht so heiß und dass alles falsch ist. „Vater unser der Du bist im Himmel“ zum Beispiel, es wäre doch wohl richtig: „Unser Vater, der Du im Himmel bist.“

Doch richtige Probleme bereiten mir dann eher die theologischen Feinheiten, keine Wunder angesichts meiner völligen Unwissenheit bei dem Thema. Bei einem Bild des Abendmahls fragte mich Ella: „Was’n das?“ „Jesus und seine Jünger.“ sagte ich. „Was sind’n Jünger?“, fragte sie weiter, ich improvisierte: „Dasselbe wie Apostel, nur jünger.“ Aber jetzt bei Ostern und wie das zusammenhängt, komme ich ziemlich ins Schwitzen. Klar, Ostern wird die Kreuzigung gefeiert. Aber wer hat noch mal Jesus’ Eier bemalt? Und hing er da schon am Kreuz? Egal eigentlich, aber mit den Feiern ist es wie mit Vater, Sohn und Heiligem Geist: Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Weihnachten, okay, da ist Jesus geboren, ganz so unbedarft bin ich ja nun doch nicht. Ostern wurde er ans Kreuz geschlagen, nebenbei doch eine gewaltige Lebensleistung, in nur drei bis vier Monaten! Christi Himmelfahrt, da stieg er dann auf in die höheren Sphären, was hier zu Lande mit Klingeln an Spazierstöcken und geistigen Getränken nachgeahmt wird.

Aber was zur Hölle soll Pfingsten? Die Leute zucken die Achseln, irgendwie haben einige Menschen früher zu dieser Zeit ein Pfingsttreffen veranstaltet. Die Erklärung ist so unbefriedigend wie die bei einem anderen religiösen Rätsel: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Vater ist klar, den Sohn kann ich mir auch noch denken, aber der Heilige Geist? Wer soll das sein? So was wie der unsichtbare Dritte wohl. Oder ist es die geheimnisvolle Substanz, die in Maria drang? Niemand weiß es genau, je länger sie es zu erklären versuchen, umso unverständlicher wird es. Pfingsten, so vermute ich deshalb, Pfingsten ist der Heilige Geist unter den christlichen Festen.