Widerstand gegen die Bahn

Politiker aller Fraktionen kritisieren die Sparpläne der Bahn. Unverzichtbar seien der Bahnhof Papestraße, die Sanierung des Ostkreuzes und die Dresdener Bahn, der Zubringer zum Flughafen

von RALPH BOLLMANN

Entschiedenen Widerstand gegen die Kürzungspläne der Bahn bei den Verkehrsprojekten in Berlin haben gestern Lokalpolitiker aller Couleur angemeldet. In seltener Einmütigkeit formulierten sie einen Katalog von Vorhaben, die der Finanznot des Konzerns auf keinen Fall zum Opfer fallen dürften. Für unverzichtbar hält das Land demnach den Fernbahn-Haltepunkt an der Papestraße, den Wiederaufbau der „Dresdener Bahn“ zum Flughafen Schönefeld, die baldige Sanierung des Ostkreuzes und die viergleisige Inbetriebnahme des Tiergartentunnels. Das unterstrichen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und Redner aller Fraktionen gestern im Abgeordnetenhaus.

Als schmerzhaft, aber vorerst akzeptabel wurden dagegen all jene Projekte bezeichnet, die nicht unmittelbar für den Bahnverkehr benötigt werden. Dazu zählen vor allem die geplanten Bürohochhäuser am Lehrter Bahnhof und das Parkhaus an der Papestraße. „Wichtig ist uns die Funktionsfähigkeit des Verkehrskonzepts“, sagte Strieder. Dagegen sei es nicht die originäre Aufgabe der Bahn, Einkaufszentren zu errichten. Solche Investitionen könnten auch von anderen Unternehmen getätigt werden.

Am vergangenen Wochenende war bekannt geworden, dass die Bahn all jene Vorhaben auf den Prüfstand stellen will, mit deren Bau sie noch nicht begonnen hat. Weil der Konzern für den Bahnknoten Berlin bereits zwei Milliarden Mark mehr ausgegeben hat als veranschlagt, zieht der neue Bahnchef Hartmut Mehdorn bei den Kosten jetzt die Notbremse.

Bei der Suche nach den Ursachen für das Desaster gingen die Meinungen allerdings weit auseinander – je nach parteipolitischer Position im Dreieck zwischen Bund, Berlin und Bahn. Während der CDU-Verkehrspolitiker Alexander Kaczmarek der rot-grünen Bundesregierung „Sparstrumpf-Denken“ vorwarf, sah der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer die Verantwortung bei den früheren CDU-Verkehrsministern in Bund und Land sowie bei den damaligen Bahnchefs Heinz Dürr und Johannes Ludewig.

Leisere Töne schlug der SPD-Politiker Strieder an, dessen Partei auf allen Seiten in der Verantwortung steht. Er mahnte im Konflikt mit der Bahn eine „konstruktive Haltung“ an: „Unter Freunden kann man sich auch Wahrheiten sagen.“ Eine Arbeitsgruppe, die Auswirkungen von Projektverschiebungen auf den Zugverkehr untersuchen soll, werde Mitte Juli erste Ergebnisse vorlegen.

Nach Ansicht der Grünen hat der Berliner Senat kräftig dazu beigetragen, dass die Bahn mit den strittigen Projekten noch nicht beginnen konnte und sie daher zur Disposition stellen kann. So sei die Sanierung des Ostkreuzes wegen der Senatspläne für eine Stadtautobahn nicht vorangekommen, und aus Rücksicht auf die Anwohner in Lichtenrade habe die Stadtregierung den Wiederaufbau der „Dresdener Bahn“ nicht vorangetrieben. Cramer: „Heute fehlt das Geld, das früher schon bereit lag.“