Hilfe, zur Hilfe, Ohrenpolizei!

Gemeinsam mit mahnenden HNO-Ärzten will er die Lautstärkeregler nach unten ziehen. Der Muschelquäler Peter Maffay als Schirmherr der Kampagne „Take care of your ears“

Das hatte gerade nicht gefehlt: Nachdem uns rauchende Ärzte eindringlich die Gefahren des Tabakkonsums geschildert und garantiert gedopte Sportler mit aller zu Gebote stehenden Heuchelei davon abgeraten hatten, Drogen an die Macht kommen zu lassen, treten jetzt die Rockmusiker auf den Plan und warnen vor, na was schon, Lederklamotten? Nein, falsch geraten, sie warnen vor zu lauter Musik.

Im Schongang weichgespültes Wischiwaschi

Nun ist Rockmusik in der Regel nichts anderes als sozusagen: zu laute Musik, so dass Rockmusiker, die vor zu lauter Musik warnen, im Grunde vor Rockmusik oder vor sich selber warnen – aber dies nur nebenbei. Denn der Rockmusiker, der mit dieser famosen Warnung Furore macht, ist ausgerechnet einer, dessen Musik man gar nicht leise genug hören kann. Es ist Peter Maffay. Der Mann, der aus Rumänien kam. Mit australischem Akzent, Cowboystiefeln und genau drei Gitarrenakkorden: schrumm, schramm und schromm.

Man hatte länger nichts von ihm gehört, was nicht auf bestehende Hörschäden zurückzuführen ist, sondern durchaus auf den Wunsch, solche zu vermeiden. Was er in die Ohren Unschuldiger hineinseichte, erfüllt durchaus den Tatbestand der Körperverletzung – nicht weil es zu laut gewesen wäre, es war zu lau. Die Seiche seiner Denkungsart machte vor nichts halt. Er seichte praktisch alles, was kam, und er seichte es nicht nur, sondern seifte es noch kräftig ein, um dieses ganze Wischiwaschi anschließend schön weich zu spülen, im Schongang selbstverständlich. Bei ihm stimmte die Chemie, und nicht wenige reagieren noch heute allergisch darauf.

Inzwischen liegt sein „Sommer“ weit zurück, seine „Eiszeit“ dito. „Nur Du“ sowie der „liebe Gott“ sind ebenfalls mittelfristig ausgestanden. Heillosen Verdruss verursacht jedoch nach wie vor sein obstinater „Tabaluga“-Unfug, und weder vergessen noch verziehen ist sein letzter, sämtliche Brusthaare unter dem Jeanshemd magnetisierender „Hit“: „Nie war ich tiefer, nie tiefer . . .“ Man will nicht wissen, wo: im Schlamassel, in der Käsetheke oder in der Nichtschwimmerzone im Freibad?

Nun ist der Balkangringo wieder da und warnt. Er tut dies als „Schirmherr“ einer bundesweiten Initiative des Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und des Grünen Kreuzes. Die Aktion „Take care of your ears“ ist eine Schulkampagne, die ein spezielles Lernprogramm für den Musikunterricht der Klassen fünf und sechs vorsieht: den Lautstärkeregler nach unten schieben. Ob’s dafür Zensuren geben wird und ob eine 1 erhält, wer sein Gerät gleich ganz abschaltet, ist noch offen. „Ich selbst“, verrät Maffay, „habe viele Freunde, die schon einen Gehörschaden von zu lauter Musik davongetragen haben“. Schüler und Jugendliche sollten daher öfter mal eine Hörpause einlegen. Das ist keine schlechte Idee. Viele Leute legen schon lange eine Hörpause ein, wenn sie Maffay nur sehen. Jetzt fordert der Hals-Nasen-Ohren-Schirmherr sie auch noch explizit dazu auf. Schön ist es, auf der Welt zu sein.

Hörschäden im Garten Eden der Neuen Mitte

Wir leben ja nicht nur in einem freien Land. Wir leben auch im Paradies, im Garten Eden der Neuen Mitte. Wo Ost- und Westdeutsche sich nach langem Zwist wiedervereinigen. Wo Unternehmer und Arbeiter ihr Geld gemeinsam in Aktien anlegen. Wo Holocaust-Mahnmale gebaut werden sollen, zu denen man gern hingeht. Wo Nato-Streitkräfte und Pazifisten gemeinsame Friedenseinsätze durchführen. Wo Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Rocker sich zusammentun und alle nur noch flüstern. Und wo alle einen Knall haben, aber nur einen ganz leisen. Außer Warzenpeter / dieser Arschtrompeter.

RAYK WIELAND