Keine Hintergedanken, nur Gedanken

Belle & Sebastian machen verhaltenen Folkpop, hadern weiter mit dem Business und verstecken sich hinter ihrem blassen Trompeter

Durch britische Musikblätter weht ein schärferer Wind als hier zu Lande. Der New Musical Express schlug zum neuen Album von Belle & Sebastian besonders scharfe Töne an. „Intellektuelle Faulheit und elitärer Snobismus“ wurde da einer Band vorgeworfen, die bisher allenfalls dadurch von sich reden machte, dass sie mit niemandem redete. Schon gar nicht mit der Presse: „Belle & Sebastian sträuben sich gegen das System, indem sie ihrem Publikum den Rücken zuwenden, endlos ihre Instrumente stimmen und derweil über die eigenen Witze schmunzeln. Yeah! Wow! Weiter so!“

Der Sarkasmus ist nicht unbegründet: Auf der Bühne geben sich Belle & Sebastian tatsächlich aufreizend introvertiert, während die lächerlich niedrige Lautstärke zum schweigenden Zuhören nötigt. Zunächst waren von Belle & Sebastian auch mehr Mythen als Platten im Umlauf: Stuart Murdoch, Sänger und Liedschreiber, lebe in einer Kirche. Isobell Campbell, ein fragiles Rehlein am Cello, sei autistisch und könne nur über ihr Instrument kommunizieren. Stuart David würde sich sein Equipment aus Elektroschrott zusammenbasteln – und derlei romantische Märchen mehr.

Man raunte so allerhand über Belle & Sebastian, und Stuart Murdoch ließ den Dingen ihren Lauf: keine Interviews, keine Pressefotos. Nichts Genaues weiß man nicht, vom Mythos kann man nur munkeln. Und wenn sie einmal in ihren Lyrics – diesen leisen, weisen Lyrics – auf ihr Image zu sprechen kommen, dann ist auch das gelogen: „We’re not terrific but we’re competent“, heißt es in „Modern Rocksong“. Großartig vielleicht, aber eben nicht kompetent ist ihr makellos poetischer Northern Soul- und Folkpop. Nicht Auflehnung, sondern stille Renitenz, nicht Wut, sondern anämische Melancholie bestimmen die Stimmung auch der neuen Platte.

„Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant“ ist das vierte Album der Schotten – und das erste, bei dem die Band vom lockeren Kollektiv zur festen Formation gefunden hat, zum Quintett. Die Musik? Strahlt durch ungelenken Charme, bezaubert erneut mit schlichten und schlicht bestechenden Melodien – aber etwas ist anders. Der Überschwang ist sparsamen, berechnenderen Arrangements gewichen. Und Stuart Murdoch hat dem Fernsehen ein Interview gegeben. Es war zwar nur das finnische, aber immerhin ein Anfang.

Auch für die deutsche Journaille gibt’s zum neuen Album plötzlich Interviews. Zwar nur mit dem blassen Trompeter Mick Cooke, der nichts zu schaffen hat mit Songwriting oder Mythos – aber ein netter Kerl ist, der gerne Auskunft erteilen würde, wenn er was wüsste.

Weil Cooke aber auch nichts weiß, sitzt er nur schulterzuckend herum und streut Belangloses. Abgerissen wird die Kirche, in der Murdoch bisher wohnte. Im Studio hören sie gerne Platten von Yes und spielen probehalber „Close To The Edge“ nach. Sich nichts vorschreiben lassen. Keine Hintergedanken wollen sie haben, nur Gedanken.

Wohlfeile Erklärungen also, die einen großen Bogen machen um das Geheimnis dieser Musik, das sich vielleicht wirklich nur in privater Exegese erfahren lässt. Oder in einfachen Sätzen wie „The leaves are not on the trees, but the colour of the sandstone is pretty enough“. Der steht in einer der dichten, verschränkten Kurzgeschichten, die jedes Mal auf dem Cover abgedruckt sind. Diesmal geht’s darin um die Farbe Grau. Um Hipster. Um Kommerz und Notwendigkeiten.

Und immerhin haben sie ihren Namen geändert. Von Belle and Sebastian zu Belle & Sebastian. Zumindest das ist jetzt ein kaufmännisches Zeichen. Yeah. Wow. Weiter so. ARNO FRANK

Belle & Sebastian: „Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant“ (Jeepster/EFA Medien)