Union verfängt sich in EU-Kompetenzen

CDU/CSU will Europa erst reorganisieren, dann erweitern. Außenminister nennt das Sabotage der Osterweiterung

BERLIN taz ■ Wenn das mal gut geht. Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat gestern im Bundestag versucht, mit der neuen Linie von CDU und CSU in der Europapolitik Punkte zu machen. Von einem Erfolg zu sprechen wäre nicht nur aufgrund seiner rhetorisch schwachen Leistung übertrieben. Auch politisch kommt sein Argument schwer rüber.

Streitpunkt zwischen Regierung und Opposition ist die Frage, wie man mit der allgemein für notwendig erachteten Entzerrung von Kompetenzen in der Europäischen Union verfährt. Einig sind sich Regierung und Opposition, dass die Bürger mit Misstrauen auf den Kompetenzwirrwarr in der EU reagieren. Welche Gremien welche Entscheidungen auf welcher Ebene treffen – das versteht selbst mancher Politiker nicht mehr.

Konkret forderte Merz gestern daher, es müsse über eine „Kompetenzordnung“ in der EU gesprochen werden, noch ehe die Vorbereitungen für die Aufnahme weiterer Mitgliedsstaaten abgeschlossen sind. Um die EU erweiterungsfähig zu machen, sind bis 2003 eine Reihe von Regierungskonferenzen vorgesehen, deren nächste Ende des Jahres unter französischer Ratspräsidentschaft in Nizza stattfinden soll. Die Frage der Kompetenzen steht dort nicht auf der Tagesordnung. Die Kurzformel der Union lautet dennoch „Bürgerfreundlichkeit jetzt!“. Es sei nämlich falsch, bis nach der EU-Osterweiterung mit der Entbürokratisierung zu warten, sagte so Merz im Einklang mit den jüngsten Beschlüssen der Union.

Die Union verspricht sich von der Kompetenzentwirrung Wählerzuspruch – ohne sich gegen die EU-Erweiterung selbst stellen zu müssen. Wenn die Ergebnisse von Nizza diesen Forderungen nicht entsprechen, will die Union ihnen folgerichtig im Bundestag die Zustimmung verweigern. „Sie brauchen unsere Zustimmung“, rief Merz an die Adresse von Außenminister Joschka Fischer.

„Wie eine Horde Trampeltiere“ würden sich CDU und CSU damit verhalten, warf Fischer der Opposition vor. Eine Kompetenzordnung gehöre zum Kern eines europäischen Verfassungsvertrags – soll heißen, es ist schwierig und langwierig, sie durchzusetzen. Wer die Frage der Erweiterung damit verknüpft, sabotiert nach Fischers Ansicht die Aufnahme neuer EU-Mitglieder. Damit verrate die Union ihre europapolitische. Prinzipien.

PATRIK SCHWARZ