Die Erde im Schwitzkasten

Das Klima ist Menschenwerk. Neue Studie beweist: Der menschliche Einfluss auf den weltweiten Temperaturanstieg ist größer als alle natürlichen und zufälligen Ursachen

BERLIN taz ■ Die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch das Klima auf der Erde verändert, liegt bei „über 99 Prozent“. Diese Einschätzung ist Teil eines neuen Gutachtens der Arbeitsgruppe des Frankfurter Klimatologen Christian Schönwiese. Erstmals stützten sich die Wissenschaftler nicht auf übliche Computer-Modellierungen, sondern auf die statistische Auswertung der weltweiten Wetterdaten eines Jahrhunderts.

Der Frankfurter Forscher und der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, forderten gestern eine Wende in der Klimapolitik. Schönwiese: „Wenn ein Kind in der Nähe eines Brunnens spielt, und die Wahrscheinlichkeit, dass es hineinfällt, besteht zu 20 Prozent, würde man sofort etwas unternehmen. Bei der Klimaänderung liegen wir bei weit über 90 Prozent.“ Im Auftrag des Umweltamtes hatten die Wissenschaftler untersucht, in welchem Ausmaß der Mensch auf Temperatur, Niederschlag und andere Klimagrößen durch den Ausstoß klimawirksamer Gase Einfluss nimmt. Die Forscher hatten den menschengemachten Anteil gegenüber anderen Ursachen wie Vulkanismus, Sonnenaktivitäten, El-Niño-Effekt und Veränderungen der Atlantikströmung zu gewichten. Wie viel ist menschengemacht, wieviel „natürlich“?

Die Forscher hatten einen globalen Datensatz von Monatsmittelwerten zur Verfügung. Sie basieren auf den Messungen einiger hundert Wetterstationen rund um die Erde. Daraus lassen sich regionale und globale Veränderungen ablesen: wärmer, kälter, mehr Regen oder weniger. Diese Trends wurden mit den dahinter stehenden physikalischen Ursachen in Beziehung gesetzt. Auf Deutsch: Man guckt die Kurven an und versucht Auffälligkeiten mit den unterschiedlichen klimawirksamen Faktoren wie Vulkanausbrüche, Sonnenaktivitäten zu berechnen.

Besonders auffällig: Die Temperaturentwicklung hat seit 1900 weltweit um 0,7 Grad zugenommen. 60 Prozent der Variabilität gehen auf den Anstieg der Treibhausgase zurück, 20 Prozent auf Sonne, Vulkan, Meeresströmungen, und wiederum 20 Prozent entsprechen dem „Zufallsrauschen“, dem unerklärten „Chaos“ des Weltklimas.

Für UBA-Präsident Troge ist klar, dass der Klimaschutz jetzt erst richtig anfangen muss, „gegenwärtig üben wir noch“.

MANFRED KRIENER