Kulturaustausch komplex

Minimale und verschachtelte Techno-Tracks, die locker vor sich hin dampfen: Das Kölner Kompakt-Label unter der Schirmherrschaft des Ocean Club in der Volksbühne

Ungefähr zeitgleich mit der Gründung des Projekts „Kompakt“ Anfang 1998 entwickelte sich Techno aus Köln zu einem unverkennbaren Markenzeichen. Wenn ein minimaler und dennoch verschachtelter Track seine Komplexität durch lockeres Vor-sich-hin-Dampfen und lächelnden Popcharme verschleierte, war Interessierten in der ganzen Welt sofort klar: Das ist der Sound from Cologne.

Und Kompakt kristallisierte sich zum wichtigsten Zulieferer für die neue Kölner Schule: als hoch spezialisierter Plattenladen, Label, Vertrieb und spirituelle Keimzelle. Von Anfang an wurde dabei auf die guten alten Tugenden des Techno-Undergrounds gesetzt. Man streute regelmäßig kryptische Anzeigen in die Berliner Techno-Gazette DE:BUG, veröffentlichte serielle 12-Inches-Reihen und erarbeitete sich eine unverwechselbare Corporate Identity. Kein Wunder, dass sich auch Technopapst Wolfgang Voigt mit seinen beiden von ihm unregelmäßig betriebenen Labels Profan und Studio 1 bereitwillig in die Kompakt-Familie eingemeinden ließ.

„Kölnkompakt“ als einmaliger Event versucht nun, den Sound der Domstadt in die Volksbühne zu bringen. Ein Technostädte-Kulturaustausch sozusagen. Denn Gastgeber ist der Ocean Club um Gudrun Gut und Thomas Fehlmann, der damit den Startschuss für mehrere von ihm vierteljährlich in der Volksbühne geplante Themenabende in der Volksbühne abfeuert: Im Oktober soll Daniel Miller sein legendäres Mute-Label nach Berlin verfrachten und am Ende des Jahres der Kosmos von so genannter incredible strange music durchleuchtet werden. Das Ocean-Club-Team scheint dabei aus den immer wieder im großen Stil gescheiterten All-in-one-Volksbühnen-Nächten der jüngsten Vergangenheit gelernt zu haben. Es steht nicht wie meistens sonst vorm Tanzen der Diskurs, sondern man erklärt von Anfang an die große Bühne zum Dancefloor.

Dort reproduziert Jörg Burger aka The Modernist live seinen unvergleichlich flockigen Minimal-Techno, setzt das Whirlpool-Productions-Mitglied Justus Köhncke nochmals seine sensationelle Coverversionen-Platte „Spiralen der Erinnerungen“ in einer Performance um, und die DJs Michael Mayer, Superpitcher, Ralph Christoph und Tobias Thomas besorgen den Rest. Im Roten Salon bringt außerdem das Profan-Kind Dettinger in seinem Live-Set ambientöse Blumenbeete aus elektronischen Klängen zum Blühen, und Reinhard Voigt sowie Veronika übernehmen die DJ-Jobs.

Jedoch keine Volksbühnen-Nacht ohne Schnickschnack. Selbst in den hintersten Winkeln des Theaters kann man Mitglieder des Ocean Clubs treffen, die dann über die Befindlichkeiten von Meerjungfrauen im Indischen Ozean blubbern und auf diese Weise versprechen, dass nicht nur der Techno hohe Wellen schlagen kann, sondern auch das Meer selbst. Überraschungen gehören jedenfalls mit zum nächtlichen Programm.

ANDREAS HARTMANN

Heute ab 22 Uhr, Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz