Podgorica ist in Alarmbereitschaft

Bei den Kommunalwahlen in Montenegro geht es um eine Entscheidung zwischen dem prowestlichen Präsidenten Djukanovic und den Anhängern des jugoslawischen Präsidenten Milosevic. Das Szenario ist unklar, ein Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen

aus Podgorica ANDREJ IVANJI

Die montenegrinische Küstenstadt Budva bereitet sich auf die Sommersaison vor. Mit wenig Enthusiasmus. Größere Investitionen wollen die Einwohner vorerst vermeiden und abwarten.

Wenigstens die Ergebnisse der morgigen Kommunalwahlen in der Hauptstadt Podgorica und Herceg Novi. Das sind zwar nur zwei von fünfzehn Wahlbezirken, aber diese umfassen über ein Drittel der Wähler. Und sie werden zeigen, ob die Bürger für die prowestliche Politik von Präsident Milo Djukanović sind oder die Sozialistische Volkspartei (SNP) des jugoslawischen Präsidenten Milošević unterstützen.

Zwar mag noch niemand an einen Bürgerkrieg in Montenegro glauben, doch „wo es Rauch gibt, da gibt es auch Feuer“, pflegt man hier zu sagen. „Wenn in diesem Sommer keine Gäste kommen, bin ich pleite“, sagt der Restaurantbesitzer Marko. Schon das Gerede über einen eventuellen Bürgerkrieg schrecke ausländische Touristen ab. Das Fatale sei, dass der montenegrinische Tourismus auf zahlungsschwache Gäste aus Serbien angewiesen sei. Gerade Belgrad habe ein Embargo gegen Montenegro verhängt, und die dort stationierte jugoslawische Armee gebärde sich wie eine feindliche Macht.

Nachdem der politische Druck von Milošević auf die prowestlich orientierte montenegrinische Regierung erfolglos war, versuchte Belgrad Montenegro wirtschaftlich auszutrocknen. Bis vor kurzem versorgte Serbien das Land nicht mehr mit Lebensmitteln, und so konnte man dort nur überteuerte Westwaren finden. Unmittelbar vor den Wahlen hat Belgrad das Embargo aufgehoben. Bezahlt werden muss aber in D-Mark – neben dem Dinar offizielle Parallelwährung.

„Milošević will beweisen, dass Montenegro auf Serbien angewiesen ist. Er will die Unzufriedenheit der Bürger gegen ihre Regierung schüren. So glaubt er, seine Gefolgsleute hier an die Macht bringen zu können“, sagt der montenegrinische Geschäftsmann Ivan Novković. Montenegro brauche internationale Hilfe, um sich auf andere Märkte umzuorientieren.

Überall in Montenegro stößt man auf Kontrollpunkte der montenegrinischen Polizei. Neben Verkehrspolizisten stehen schwer bewaffnete Spezialeinheiten. Autos und Fahrer werden genau durchsucht. Das Land ist in Alarmbereitschaft.

„Ein Teil der montenegrinischen Bevölkerung, vorwiegend aus dem Grenzgebiet zu Serbien, ist immer noch bereit, der selbstmörderischen Politik Milošević’ zu folgen“ sagt Miodrag Vuković, Berater des montenegrinischen Präsidenten, Djukanović. Die jugoslawische Armee sei die einzige verbliebene Institution der Föderation in Montenegro und verwandle sich in eine unberechenbare Privatarmee des „machtbesessenen“ Milošević.

Trotz steigenden Drucks zögert Präsident Djukanovip mit der Ausrufung der Selbstständigkeit. Erstens will er ein Blutvergießen vermeiden und zweitens weiß er nicht, ob über fünfzig Prozent der Montenegriner die Unabhängigkeit wollen. Die Lokalwahlen in Podgorica und Herceg Novi sind gleichzeitig Wahlen für oder gegen eine Föderation mit Milošević an der Spitze.

„Brüssel ist Montenegro näher als Bagdad, und Rom näher als Hanoi“, erklärte Djukanović während seiner Kampagne mit Blick auf die Länder, die noch Kontakte zu Jugoslawiens Regierung haben. Die Montenegriner wählten nicht zwischen Jugoslawien und Montenegro, sondern zwischen Zukunft und Vergangenheit.

Gegen das Bündnis „Für ein besseres Leben“, das Montenegro heute regiert, tritt als „Patriotische Koalition“ alles an, was Belgrad treu ergeben ist. So haben sich der SNP unter Momir Bulatović auch die Radikalen (SRS) und die Jugoslawische Linke (JUL) angeschlossen. Djukanović’ Anhänger hoffen, dass diese Koalition ihren Gegnern schadet. Die Radikalen vertreten den in Montenegro unpopulären Standpunkt, Jugoslawien solle ein zentralisierter, serbischer Staat sein. Dennoch gibt sich die SNP siegesicher und erklärt, nach einem Sieg vorgezogene Wahlen zu Montenegros Parlament fordern zu wollen.

In Montenegro spitzt sich die Lage zu. Die Krise, so glaubt man in Podgorica, sei nur durch die Unabhängigkeit, die der Westen nicht wünscht, oder einen politischen Wandel in Serbien, der eine Neudefinition der Beziehungen in der Föderation ermöglichte, zu überwinden.