Deutsches Gewicht im Blick

Beim deutsch-französischen Gipfel produzieren Schröder und Chirac kaum Ergebnisse.Frankreich zeigt Verständnis für deutschen Wunsch nach mehr Macht im Rat der EU

BRÜSSEL taz ■ Der deutsch-französische Motor läuft gut geölt wie zu Kohls und Mitterrands besten Zeiten. Diesen Eindruck vermittelten Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Gäste Jacques Chirac und Lionel Jospin beim 75. deutsch-französischen Gipfeltreffen gestern in Mainz. Die hohen Erwartungen, die die drei im Vorfeld geweckt hatten, erfüllten sich aber nicht. Beim Thema EU-Reform wollten sie sich nicht auf Details festlegen.

Erklärtes Ziel des Treffens war es, bei den 1997 in Amsterdam nicht geklärten Reformpunkten bis zum nächsten EU-Gipfel in Feira Mitte Juni die deutsch-französische Linie festzulegen. Vor allem die Frage, wie viele Stimmen jedes Land künftig im Europäischen Rat haben soll, birgt Zündstoff. Nach dem derzeitigen System stehen rein rechnerisch 200.000 Luxemburger, aber 8,2 Millionen Deutsche hinter einer Stimme im Rat. Auch Frankreich mit 5,8 Millionen pro Stimme hat „Übergewicht“.

Deutschland möchte in Zukunft mehr Stimmen. Chirac signalisierte in Mainz Verständnis für diesen Wunsch: „Ich glaube, dass die Berücksichtigung demographischer Gegebenheiten für die demokratische Entwicklung Europas wichtig ist. Die Neugewichtung der Stimmen ist eine Möglichkeit, damit die EU ihre Widersprüche überwinden und Fortschritte erzielen kann.“

Deutlicher wurde auch der Bundeskanzler nicht. Er betonte aber, dass dieses Thema Deutschland und Frankreich ganz sicher nicht entzweien werde. Problematischer ist für die Franzosen die deutsche Forderung nach einem „föderalen“ Europa, wie es Außenminister Fischer in seiner Berliner Rede skizziert hat. Chirac betonte, das Wort Föderalismus habe in seinem Land eine ganz andere Bedeutung. Er warnte vor einem „falschen Zungenschlag“, wenn dieser Begriff verwendet werde.

Einig sind sich Deutsche und Franzosen aber, dass die Sozialpartner in den Bau des künftigen Europa mit einbezogen werden sollen. Jospin betonte, dass es um ein Wirtschafts- und Sozialmodell in Europa gehe und die künftige Grundrechtscharta soziale Garantien enthalten müsse. Ein Satz, den der britische Premier Tony Blair sicher nicht gern hört. Denn die Briten sind gegen jede Form von EU-Verfassung und wollen keinesfalls soziale Mindeststandards für ganz Europa akzeptieren.

DANIELA WEINGÄRTNER