Leben gute Menschen eigentlich länger?

■ Wolferls Welt: Mozarts La Clemenza di Tito im Forum der Musikhochschule

So ein milder Herrscher hat eigentlich den Tod verdient. Da wird gegen den römischen Kaiser Titus Flavius Vespasianus ein Mordkomplott geschmiedet. Und dann brennt auch noch das Kapitol. Der Imperator überlebt nur durch Zufall und erfährt, dass ihn ausgerechnet sein bester Freund umbringen wollte. Und anstatt, wie es auch sein Sicherheitschef Publio empfiehlt, die Todesstrafe zu verhängen, vergibt Titus dem elenden Schurken und allen, die hinter der Intrige stehen. So einer überlebt im wahren Leben nicht lange. In der Oper schon und wird auch noch ob seiner Milde gefeiert.

Weniger gefeiert wurde dagegen am Freitagabend Holger Marks, der die Titelrolle in Wolfgang Amadeus Mozarts Dramma serio La Clemenza di Tito sang. Zu dünn und zu leise war sein Tenor. Aber vielleicht muss das so sein, wenn man einen eher selbstzweiflerischen Kaiser spielt. Folgerichtig brachte Patrick Scharnewski als Führer der Leibwache bedeutend mehr Volumen auf die Bühne. Er lief wie ein Geheimdienstler immer auf der Bühne herum und kam dann doch nicht dahinter, dass ein Anschlag auf seinen Chef geplant wurde. So einer muss einfach lauter singen, sonst erfährt am Ende die Welt, dass er für seine Aufgabe nicht geeignet ist.

Daniel Dvorák reduzierte das Bühnenbild auf vier bewegliche, rechtwinklige Treppen, die in wenigen Sekunden zu Hügeln, Räumen und einer Arena umgebaut werden konnten. In dieser flexiblen Welt konnten die beiden Freunde Sextus (Katharina Peetz), der Mörder, und Annius (Sun Jung Kim) sich verstecken und ihre Rezitative und Arien vortragen. Kastraten, wie sie im Original vorgesehen sind, gibt es ja heutzutage nicht mehr. Die beiden Sopranistinnen in diesen Rollen spielten die Männer so präzise, dass der gender switch kaum auffiel.

Einzig, die Frage muss erlaubt sein: Was wollte Wolfgang Ansel eigentlich vermitteln? Häufig drängte sich auf, der Regisseur habe eine Botschaft. So werden im Programmheft politische Attentate gegen die sogenannten Guten wie Mahatma Gandhi, John F. Kennedy und Itzhak Rabin aufgezählt und auch dem realen Titus im historischen Abriss ein Mordkomplott angedichtet, das von der Geschichtswissenschaft längst widerlegt wurde. Handelt es sich um die Mahnung, gerechte Herrscher doch bitte nicht umzubringen? Oder sollen Politiker aller Couleur zur Milde aufgerufen werden? Zumal schon Voltaire über den Opernstoff schrieb, er sei eine „ewige Lehre für alle Könige und ein Entzücken für alle Menschen“.

Aber gerade die Geschichte im Programmheft beweist ja, dass solche Herrscher eher früher und durch fremde Hand sterben. Insofern stand das gleißende Licht, das am Ende auf einen weiß gekleideten Titus fiel, für eine Apotheose, die vom Regisseur wohl ehrlich gemeint war, aber eher an Himmelfahrt erinnerte.Eberhard Spohd

noch Mi, 14.6. + Sa, 17.6. + Mo, 19.6. + Do, 22.6., jeweils 19 Uhr, Musikhochschule