Keiner mag uns – scheißegal!

■ Zum Auftakt der Fußball-EM feierte im Kleinen Haus zu Bremerhaven eine literarisch-proletarische Hommage an den großen Manitu mit Namen BALL Premiere

Wer erinnert sich noch an Bodo Ballermann? Er spielte beim Rambo-Zambo-Kickerverein, er täuschte den Torwart mit riskanten Tricks, aber er war nicht nur im Spiel gut. „Hau rein – is' Tango“ heißt der Refrain, und das Darsteller-Quartett in Bremerhavens Stadttheater singt so gekonnt, als hätte sich Udo Lindenberg mit seiner leicht säuselnden Stimme höchst persönlich dazu gestellt. „Europameister – Ein Fußballabend mit Musik“ auf der Bühne des Kleinen Hauses, eine Premiere – genau zwei Stunden vor dem Auftakt der Europameisterschaft: Wer würde da noch aus den Puschen steigen und den Fernsehsessel verlassen?

Ob Fußball-Fans oder nicht, das Kleine Haus ist gut besucht, als die vier Spieler den grünen Kunstrasen betreten und sich setzen. In ihrer Mitte ist der Ball, das Zeichen, der große Manitu, aber ehe die rituelle Beschwörung zur Philosophie oder Ideologiekritik ausartet, brechen sie die Szene auf, ziehen die Stutzen und Fußballschuhe über, schleppen ein üppiges Sofa auf die Bühne und nehmen Platz.

Knappe 90 Minuten dauert das Spiel, in das der junge Gastregisseur Malte Jelden auf das Sofa und um das Sofa herum schickt. Es ist ein EM-Spiel Deutschland-Italien, es sind die Originalkommentare aus der Fernsehübertragung, die Jelden auf die vier verteilt, und es ist ein Spiel, in dem die deutschen Kämpfer gegen die italienischen Ballkünstler nicht gut aussehen. Aber was macht's? Die Sofa-Fans singen „Keiner mag uns – scheiß-egal“, und dazwischen intonieren sie tröstende Westkurven-Zeilen: „Ihr seit Itaker, asozial – ihr schlaft unter Brücken und in der Bahnhofsmission“.

Jelden wagt mit der von ihm selbst entwickelten Textcollage einen Spagat: Er verknüpft Literatur mit Alltagstexten. Fußball ist selten literarisch geworden und selten so prägnant wie in Handkes „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ und in Horvaths „Legende vom Fußballplatz“, in der ein „armer kleiner Bub“ vom irdischen Leben in den Fußballhimmel schwebt. So leise und melancholisch zugleich sind die Untertöne, die Jelden zwischen die sprachlichen Fehlpässe der Ballhelden („Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien!“), zwischen Kalauer, Hymnen und Schlager setzt.

Die Männer in hellen Anzügen, die Frauen im kurzhosigen Sportdress – sie turnen mit Tempo um das Sofa herum, machen politisch korrekte Ausflüge zu den Themen Fußball und Schwule, Fußball und Gewalt, stopfen einem Nationalis-ten gewaltsam das böse Maul und überziehen die Texte – vierstimmig – mit leichtester Muse: Udo Lindenberg und Wenke Myhre („Er steht im Tor und ich dahinter...“), die Beach Boys und die Beatles.

Jawohl, die Beatles! Denn mit diesen feinen Zeilen und einer Ohrwurm-Melodie endet die Hommage an den Ball: Heike Eulitz, Stefanie Knauer, Dietmar Horcicka und Michael Quinten Stobbe singen – und Christoph Hornischer begleitet am E-Piano – einen Bealtes-Song, der beiläufig daran erinenrt, dass sich im Ball die große Welt spiegelt: „BECAUSE the world is round“. Hans Happel

Weitere Aufführungen: 15., 21., 27. Juni und 6. Juli. Karten und Infos unter Tel.: 0471/49 001