Gar nicht so Thunderfull

Zwar gewinnen die Footballer von Berlin Thunder das letzte Heimspiel der Saison gegen die Amsterdam Admirals. Aber die Zuschauerzahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück

von THOMAS WINKLER

Es waren nur noch 23 Sekunden zu spielen zwischen Berlin Thunder und den Amsterdam Admirals und der sportlich an sich bedeutungslose Vergleich beim Stand von 28:15 entschieden, als Jonathan Brown nach getaner Arbeit an der Seitenlinie entlangschlurfte. Der Defensive End von Thunder hatte mit zwei Sacks des gegnerischen Quarterbacks nicht unwesentlich zur überragenden Verteidigungsleistung der Berliner beigetragen, die bis zwei Minuten vor dem Ende den Admirals nur drei Punkte erlaubt hatten. Auf seinem Weg vom Feld hielt er einem Kind in Thunder-T-Shirt und -Kappe die Handfläche hin. Doch der Junge schaute erst unsicher zu siner Mutter, bevor er den 121-Kilo-Koloss doch noch abklatschte.

Berlin bemerkt nur sehr zögerlich, dass sich die National Football League (NFL) vorgenommen hat, die Hauptstadt zu erobern. Auch am Samstag, zum letzten Heimspiel der zweiten Spielzeit von Thunder in der NFL Europe, waren wieder nur 8.014 zahlende Zuschauer gekommen. Insgesamt lagen der Zuschauerschnitt mit knapp unter 9.000 sogar noch leicht unter dem des Debütjahres, für das man eigentlich bereits einen Schnitt von 12.000 projektiert hatte.

„In Berlin“, hat Michael Lang, General Manager von Thunder, feststellen müssen, „wird alles etwas länger dauern als anderswo.“ Alles, das ist die massenhafte Annahme des Unterhaltungsprodukts Football. Anderswo, das sind die beiden anderen deutschen Märkte Frankfurt und Düsseldorf, wo des Öfteren über 40.000 ins Stadion kommen. „Die Berliner sind verwöhnter“, sagt Lang, es gäbe hier viel mehr Mitbewerber: „Ich nenne nur vier Hauptgründe: Hertha, Alba, die Eisbären und die Capitals.“

Lang weiß, dass er als Manager der Franchise im Notfall der Hauptverantwortliche für die Zuschauermisere ist. Trotzdem macht er sich „keine Sorgen“ um seinen Job: „Während der Saison hat man gar keine Zeit, über so etwas nachzudenken.“ Und diese Saison ist noch nicht ganz zu Ende. Nächstes Wochenende muss Thunder beim Tabellenletzten Frankfurt Galaxy antreten.

Damit in der kommenden Saison das Jahnstadion nicht mehr nur halb gefüllt ist, muss auch endlich der sportliche Erfolg bei Thunder einkehren. Zwar hat man schon jetzt einmal mehr gewonnen als im ersten Jahr und kann, sollte man in Frankfurt siegen, die Saison sogar mit einer ausgeglichenen Bilanz von fünf Siegen und fünf Niederlagen beschließen. Doch schon vor dem Spiel am Samstag gab es nur noch theoretisch die Chance auf das Erreichen der World Bowl. Mit dem 31:24-Sieg der Scottish Claymores gegen Rhein Fire Düsseldorf ist nun endgültig klar, dass Berlin das Liga-Endspiel nicht mehr erreichen wird.

Dass Thunder gegen die bereits als Finalisten feststehenden Rhein Fire und Claymores jeweils einen Sieg landete, zeigt, dass eines der schlagkräftigsten Verkaufsargumente der NFL Europe tatsächlich gegeben ist: die Ausgeglichenheit der Liga. Obwohl sich die Berliner in nahezu allen relevanten Statistiken am unteren Ende der NFLE befinden, hätten sie mit ein wenig Glück sogar noch zwei Spiele mehr gewinnen können.

Man habe, sagt Lang, nun „eine gute Besetzung zusammen“ und meint damit Klubleitung und Trainerstab. Denn wie das Team in der nächsten Saison aussehen wird, ist noch unklar. Wie gewohnt werden die besten Spieler, nämlich diejenigen, die bei amerikanischen NFL-Teams unter Vertrag stehen und nur nach Europa geschickt werden, um Spielpraxis zu sammeln, von der Liga an die Klubs verteilt. Sind sie zu Hause erfolgreich, wäre das Verletzungsrisiko in Europa zu groß. So konnte es geschehen, dass Titelverteidiger Frankfurt nun am Tabellenende steht.

Auch Damon Dunn wird mit höchster Wahrscheinlichkeit zum letzten Mal in Prenzlauer Berg Football gespielt haben. Der Wide Receiver wurde nach sieben gefangenen Pässen für 189 Yards und zwei Touchdowns zum besten Spieler beim Sieg gegen Amsterdam gewählt. „Ich bin froh, bald nach Hause zu kommen und meine Familie zu sehen“, sagte Dunn breit grinsend nach dem Spiel. Im Herbst wird man ihn wohl bei den Cleveland Browns die Seitenlinien entlanghetzen sehen dürfen.